Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
Ich habe gehört, wie er seine Tochter fertiggemacht hat. Und ich habe gehört, was Emily über jene Nacht erzählt hat. Das war einfach zu detailliert für jemanden, der angeblich unter hysterisch bedingter Amnesie leidet. Ich reagiere nicht zu emotional - ich bin eine glaubwürdige Zeugin.«
    »Ich vertraue deinem Urteil.« Conrad gab sich größte Mühe, seinerseits glaubwürdig zu klingen. »Aber kannst du Terry und mir nicht das gleiche Vertrauen schenken? Schließlich haben wir beide über fünfzehn Jahre Erfahrung in unserem Job.« Ich nickte müde. »Natürlich, ihr seid beide gute Polizisten. Das habt ihr schon oft bewiesen.«
    »Dann hack nicht auf uns rum, weil wir in diesem Fall anderer Meinung sind als du und Mary Louise.«
    Jetzt runzelte ich die Stirn. »Es geht nicht nur um die Frage, ob Emily hysterisch ist, sondern auch darum, wessen Füße sie in der Nacht von Deirdres Tod in meinem Büro gesehen hat. Und darum, hinter wem Anton gestern nacht im Krankenhaus her war.« Finchley winkte ab. »Genau das ist die Crux bei dieser Angelegenheit. Nichts deutet darauf hin, daß er in der Nacht von Deirdres Tod in deinem Büro gewesen ist, aber alles, sogar ihre eigene Geschichte, daß Emily da war. Dr. Zeitner könnte recht haben: Sie ist so entsetzt darüber, ihre Mutter umgebracht zu haben, daß sie sich das nicht eingestehen kann und deshalb einen anderen beschuldigen muß.« Er ging zur Tür, blieb aber noch einmal stehen, um mich anzusehen. »Ich biete dir einen Kompromiß an, Vic: Wir verhaften sie erst, wenn wir Anton gefunden und seine Version der Geschichte gehört haben. Aber dafür mußt du dich fernhalten von dem Mädchen ... Ich meine Emily. Ihr Vater ist ihr Vormund, und er hat dir jeglichen Kontakt mit ihr untersagt. Ich werde deswegen noch einmal mit dem Krankenhauspersonal sprechen.«
    Er wich meinem Blick nicht aus. Ich nickte leicht - aber nur um ihm zu zeigen, daß mir seine Feindseligkeit nicht entgangen war.
    Als er weg war, legte Conrad vorsichtig den Arm um mich. »Und was jetzt, Ms. W.?« »Du meinst, was jetzt mit uns passiert? Ich glaube, ich gehe lieber wieder in meine eigene Wohnung zurück, egal, wie's dort im Moment ausschaut. Wir... es ist einfach zu viel ... « Meine Stimme zitterte, und ich mußte mich zusammenreißen, um nicht die Fassung zu verlieren. »Ich will mich nicht von dir trennen. Aber wahrscheinlich ist es besser, wenn wir uns ein paar Tage nicht sehen.«
    Conrad ließ mich los und steckte die Hände in die Hosentaschen. »Und was ist, wenn dieser Charpentier recht hat und Anton tatsächlich hinter dir her ist und nicht hinter dem Kind - Emily?«
    »Dann findet er mich, egal, wo ich bin.«
    Daß ich den Flur hinunterschlurfte, hatte nichts mit meinen müden Knochen zu tun. Ich hatte die Hände in den Taschen und den Kopf gesenkt und schenkte der Welt um mich herum keine Beachtung. Als Officer Neely mir auf den Arm tippte, während ich meinen Wagen aufschloß, drehte ich mich erschreckt um.
    Ihr Gesicht war fleckig, als habe sie gerade geweint, und ihre Stimme klang rauh und quäkend. Sie war zu sehr mit ihrem eigenen Elend beschäftigt, als daß ihr das meine aufgefallen wäre. »Ich muß mit Ihnen sprechen.«
    Ich deutete auf den Beifahrersitz. Da es in dem Trans Am zu laut ist, um sich in Ruhe unterhalten zu können, fuhr ich nach Norden, zum Montrose Drive, wo sich in dieser Jahreszeit kaum jemand am See aufhält. Ganz am äußeren Ende der Landzunge stellte ich den Motor aus und lehnte mich auf dem Fahrersitz zurück. Mary Louise Neely starrte geradeaus.
    »Ich habe einen Vater wie Fabian Messenger. Aber das haben Sie sich wahrscheinlich schon gedacht, oder?« platzte es aus ihr heraus.
    Sie schien eine Antwort von mir zu erwarten. »Ich habe schon gemerkt, daß Sie an dem Fall ein persönliches Interesse haben«, sagte ich.
    »Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war, als mein Vater zum erstenmal nachts in mein Zimmer gekommen ist. Vielleicht sieben. Meine Mutter ... « Sie schwieg, ihre Stimme zitterte zu sehr, als daß sie noch etwas hätte sagen können.
    Nach einer Weile fuhr sie fort, heiser und monoton. »Ich habe meiner Mutter gesagt, daß er mir in der Nacht weh tut. Daraufhin hat sie mir den Mund mit Seife ausgewaschen, weil ich schmutzige Sachen gesagt habe. In der High-School habe ich mich mit zwielichtigen Typen rumgetrieben, und dann bin ich einfach weggelaufen, nach Chicago, dahin, wo die aufmüpfigen Kids sind - Ecke Clark/Division. Sex und

Weitere Kostenlose Bücher