Engel im Schacht
Gefühl, die Königin der Straße zu sein, als ich wendete und in Richtung South Side fuhr.
Fabians Haus sah von der Straße aus dunkel und abweisend aus. Es war eine kühle Nacht, und ich hatte meinen Mantel zu Hause vergessen. Zitternd gin g ich den Weg zur nördlichen Seite des Hauses hinauf. Ein Streifen Licht blitzte durch die Ritzen in den Fensterläden seines Arbeitszimmers. Ich kehrte zur Haustür zurück und klingelte. Dabei rieb ich mir die Arme und biß schnatternd vor Kälte die Zähne zusammen.
Mehrere Minuten vergingen, dann klingelte ich noch einmal, diesmal ausdauernder. Gerade als ich überlegte, ob ich zum Fenster des Arbeitszimmers gehen und Steinchen dagegen werfen sollte, hörte ich, wie der Riegel zurückgeschoben wurde. »Ach.« Fabian blinzelte mich an. »Ich hab' nicht gedacht, daß um diese Zeit wirklich noch jemand klingelt.«
»Aber jetzt weißt du's. Wie geht's Josh und Nathan - alles in Ordnung mit ihnen?« Ich machte einen Schritt auf ihn zu, und er trat ohne Murren beiseite, so daß ich ins Haus konnte.
»Möchtest du sie sehen? Dr. Zeitner meint, sie haben ein schweres Trauma davongetragen. Er hat eine Therapie vorgeschlagen. Wahrscheinlich ist es ein ziemlich prägendes Erlebnis für so kleine Jungen, wenn sie eine Woche unter der Erde verbracht haben. Emily ist gestört, sehr gestört. Ich habe keine Ahnung, was sie damit bezwecken wollte, als sie sie in die Schächte mitgenommen hat. Ich hoffe nur, daß wir ihr helfen können, bevor es zu spät ist.«
»Genau.« Ich war nicht überrascht, daß Fabian sich so mit mir unterhielt, obwohl er noch am Vortag in meiner Wohnung auf mich losgegangen war. Seine Launenhaftigkeit machte mich nervös, erstaunte mich aber nicht mehr.
Ich schloß die Tür hinter mir und betrat den Flur. »Sollen wir uns in deinem Arbeitszimmer unterhalten? Oder fühlst du dich im Wohnzimmer wohler?« »Unterhalten? Worüber sollten wir uns unterhalten? Es sei denn natürlich, du möchtest dich dafür entschuldigen, daß du Emily dazu gebracht hast, wegzulaufen. Eigentlich möchte ich rechtliche Schritte gegen dich einleiten, aber wenn wir Emily finden und sie davon überzeugen können, daß sie sich in psychiatrische Behandlung begibt, werde ich die Sache wahrscheinlich auf sich beruhen lassen.« »Ich will mich heute abend mit dir über Alec Gantner unterhalten, nicht über Emily. Uber das Geld, das er und der Senator von den Caymaninseln ins Land bringen. Heute habe ich ein Memo gefunden, das Deirdre mir in der Nacht ihres Todes geschrieben hat. Darin heißt es: >Ich habe Fabian gezwungen, mir zu erklären, wie sie das Geld ins Land bringen. Frag ihn einfach. Also frage ich dich jetzt.«
Mit offenem Mund starrte er mich sprachlos eine Weile an, dann sagte er: »Ich hab' gedacht, im Tod könnte sie mich nicht mehr in Verlegenheit bringen, aber offenbar habe ich mich da getäuscht.«
»Alle Menschen sind dir gegenüber gedankenlos, nicht wahr, Fabian?« meinte ich. »Deine Tochter, deine Frau, ich. Ich fürchte, Alec Gantner und Jasper Heccomb werden sich als ähnlich unfreundlich erweisen. Weißt du, sie haben nach deiner Party für Manfred Yeo den Baseballschläger mitgenommen und damit deine Frau umgebracht. Sie haben gehofft, daß du deswegen verhaftet würdest.« »Da täuschst du dich. Emily hat ihre Mutter umgebracht. Die Polizei hat den Baseballschläger in ihrem Schlafzimmer gefunden. Ich dachte, du weißt das?« »Ich habe den Brief gesehen, den Senator Gantner dir geschrieben hat, nachdem du ihn bezüglich der Boland-Novelle beraten hast. Er wollte doch auch noch ein paar Dinge über Steuerfragen in Verbindung mit ausländischen Geldern wissen, nicht wahr? Hast du ihm einen Experten vermittelt, oder hast du ihm selbst geraten, die Sache als Darlehen zu behandeln? Das war mit Sicherheit die leichteste Methode, eine so große Summe zu waschen, weil das Finanzamt so nicht erfuhr ... «
»Du hast den Brief gesehen?« brüllte er mich an. »Obwohl Deirdre mir versprochen hatte, Stillschwelgen zu bewahren, hat sie ihn dir gezeigt?«
»Ich glaube nicht, daß sie dich verraten wollte«, antwortete ich. »Aber wenn sie zuviel getrunken hat, hat sie manchmal vergessen, was sie erzählen durfte und was nicht. Hat sie den Brief in deinen Akten gefunden?«
»Er hat ihn vorsichtshalber an meine Privatadresse geschickt - er wußte, wie aufmerksam Sekretärinnen und Studenten werden, wenn sie einen persönlichen Brief von einem Senator sehen. Ihm war
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