Engel im Schacht
Nachricht doch sehr gelegen.«
Ich verschränkte die Arme und lehnte mich gegen die Wand bei der Treppe. »Murray Ryerson vom Herold-Star schreibt im Moment eine Story über Gant-Ag. Er hat einen Informanten im Büro von Senator Gantner, der deinen Schriftverkehr mit ihm bestätigen wird, wenn wir ihm die Richtung angeben.«
Fabian sah mich haßerfüllt an, die Lippen zusammengepreßt. »Ich denke drüber nach und setze mich dann mit dir in Verbindung.«
Zuerst Tish, jetzt Fabian. Ich war es allmählich leid, daß in Chicago alle Leute so viel Zeit zum Nachdenken brauchten - das war ja wie in einem Meditationszirkel in Kalifornien.
»Bis morgen mittag, Messenger. Sonst gehe ich zu Murray Ryerson und dann zum Staatsanwalt. Gib mir eine Nummer, unter der ich dich morgen erreichen kann; ich werde unterwegs sein.«
Er wehrte sich noch ein bißchen, doch dann sagte er mir mit der schmollenden Stimme eines kleinen Jungen, der schließlich doch Frieden mit seiner verhaßten Schwester schließen muß, ich könne ihn im Büro anrufen.
Wir hörten Kinderschritte über uns. Nathan erschien auf der Treppe und jauchzte: »Emii? Is' Emii wieder da?« Plötzlich sah er, daß ich nicht seine große Schwester war, sondern eine Fremde, und fing enttäuscht zu weinen an. »Ich will zu Emii.«
Fabian wandte sich mir mit bitterer Miene zu. »Siehst du jetzt, was du angerichtet hast? Das wird eine Weile dauern, bis er sich wieder beruhigt hat.«
Er ging an mir vorbei, um seinen Sohn auf den Arm zu nehmen. »Emily kann nicht heimkommen. Sie ist sehr, sehr krank. Sie muß erst gesund werden, bevor sie nach Hause kommen kann... Sheila! Sheila! Nathan muß zurück ins Bett.«
Eine junge Frau in Jeans und Pullover kam angerannt und nahm Fabian seinen Sohn ab. Das war wahrscheinlich das Kindermädchen. Niemand achtete auf mich, als ich den Riegel zurückschob und das Haus verließ.
Ein Senator für alle
Am Morgen merkte ich, daß ich es nicht mehr aushielt in meiner einsamen Wohnung, und rief Mr. Contreras in Elk Grove Village an. Trotz der wütenden Einwände seiner Tochter machte ich mit ihm aus, ihn abzuholen, sobald er sich seine Tollwutspritze hatte geben lassen. Als ich an die vielen Male dachte, die ich ihn dafür verflucht hatte, daß er sich immer wieder in mein Leben einmischte, schämte ich mich. Ich ging hinunter in seine Wohnung, um alles in Ordnung zu bringen und sein Bett frisch zu überziehen. Ich schüttete die Milch weg, die inzwischen sauer geworden war, gab den Blumen Wasser und legte die Morgenzeitung so auf den Tisch, daß die Ergebnisse der Pferderennen obenauf lagen. In letzter Zeit verbrachte ich erstaunlich viele Stunden damit sauberzumachen. Wenn die Geschichte mit meiner Detektei wirklich den Bach runterging, konnte ich mich ja als Haushälterin verdingen. Ich wollte gerade zurück in meine Wohnung, als ich meine eigene Klingel im Treppenhaus hörte, also lief ich wieder hinunter in Mr. Contreras' Apartment, um von dort aus auf die Straße zu schauen. Draußen stand eine marineblaue Limousine in zweiter Reihe. Würde sich ein Killer so offen hinstellen?
Ohne Waffe ging ich inzwischen nicht mehr aus dem Haus. Ich steckte meine Smith &Wesson in die Tasche, wo ich sie schnell erreichen konnte, wenn ich sie brauchte, verließ das Haus durch den Hinterausgang und schlich mich von hinten an den Mann heran. Er trug einen marineblauen Nadelstreifenanzug, der zum Wagen paßte, und hatte einen ordentlichen Haarschnitt wie alle erfolgreichen Geschäftsleute. »Kann ich Ihnen helfen?« fragte ich.
Er zuckte zusammen. »Ich suche nach Victoria Warchaski.« Den Namen hatte er fast richtig ausgesprochen. »Und wer sind Sie?«
Er musterte mich mit kühlem Blick. »Sind Sie Victoria?« »Ich bin Ms. Warshawski. Und wer sind Sie?« »Es wäre angenehmer, wenn wir uns im Wagen unterhalten könnten.«
Ich schenkte ihm ein kurzes Lächeln. »Ihnen ist das angenehmer. Ich persönlich habe nichts dagegen, hier zu stehen. Warum sagen Sie mir nicht einfach, wie Sie heißen und was Sie wollen.«
Er machte einen Schmollmund, während er versuchte, sich eine Strategie für sein weiteres Vorgehen zurechtzulegen offenbar hatte ihm niemand gesagt, daß ich vielleicht nicht mitspielen würde. »Es geht um eine private Angelegenheit.«
»Kein Problem. Abgesehen vom UPS-Mann kommt um diese Tageszeit niemand an meine Tür. Nun spucken Sie schon aus, was Sie wollen - das ist leichter, als Sie vielleicht denken. Sie wollen mich bitten,
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