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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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verhöhnen. Ich drückte auf die Leertaste und sah mir noch einmal die Akte Lamia an.
    Vor Deirdres Eintreffen hatte ich gerade die offiziellen Daten von Home Free eingegeben. Jetzt mußte ich nur noch die Namen der Direktoren von Century Bank aus der Liste, die ich am Dienstag von Lexis erhalten hatte, archivieren. Damit wäre meine Arbeit am Projekt Lamia abgeschlossen.
    Die Namen der Direktoren waren in alphabetischer Reihenfolge erschienen. Ziemlich weit oben stand Eleanor Guziaks Name. Ich staunte. Das war die Bankerin, die am Mittwochabend bei Deirdres Party gegenüber von mir gesessen hatte. Die rechte Hand von Donald Blakely, dem Präsidenten von Gateway, der mir erklärt hatte, er kenne niemanden bei der Century Bank sonderlich gut. Soso. Wie wenig wir doch von unseren eigenen Untergebenen wissen.
    Gateway war eine große Bank im Zentrum der Stadt. Zwar hatte Gateway nicht das gleiche Format wie die Ft. Dearborn Trust oder First Chicago, gehörte aber zur Gruppe der Erwählten, die - sowohl privat als auch öffentlich - in der Stadt etwas zu sagen hatten.
    Century hingegen war eine kleine Bank, deren einziges Büro im Fortyeighth Ward lag, genau dort also, wo Camillas Gruppe ihr experimentelles Projekt plante. Es war nichts Ungewöhnliches, wenn ein leitendes Mitglied einer großen Bank auch im Vorstand einer kleineren saß. Merkwürdig war nur, daß Donald Blakely diese Verbindung abstritt.
    Ich pfiff tonlos durch die Zähne. Ich konnte bei Eleanor Guziak anrufen, in der Hoffnung, ihren Anrufbeantworter oder ihre Sekretärin anzutreffen und vielleicht später zurückgerufen zu werden.
    »Laß die Finger davon, Vic«, warnte mich eine innere Stimme. »Oder willst du Lamia das Geschäft verderben?«
    Es war fast halb sechs. Wenn ich mich beeilte und wenn ich richtig vermutete, konnte ich Eleanor Guziak auf ihrem Weg aus dem Gateway-Gebäude abfangen. Also stellte ich den Computer ab, steckte meine Papiere in die Aktentasche und schaltete die Schreibtischlampe aus.
    Als ich aufstand, fiel mein Blick auf Deirdres Mantel. In meiner Aufregung über Eleanor Guziak hatte ich Deirdre völlig vergessen. Sollte sie doch Fabian allein ärgern.
    Sie konnte ja ihren Mantel von meinem Türknauf holen, wenn sie tatsächlich irgendwann wiederkäme. Schließlich war das hier keine öffentliche Garderobe.
    Sie kam zurück, gerade als ich den Mantel an den Knauf hängen wollte. »Ach, willst du weg, Vic? Ich hatte gehofft, daß ich von hier aus telefonieren kann.«
    »Tut mir leid. Ich hab' einen Termin auf der anderen Seite des Loop.« Ich reichte ihr den Mantel. »Na, hast du was entdeckt?«
    »Könnte sein, daß ich den Platz gefunden habe, wo sie ein paar Nächte geschlafen haben. In einem Büro im fünften Stock. Hast du einen Ersatzschlüssel? Den könnte ich dir durch den Briefschlitz stecken, wenn ich gehe.« Ich war so verblüfft über ihre Dreistigkeit, daß ich tatsächlich in der Reißverschlußtasche meiner Aktenmappe nach dem Ersatzschlüssel suchte und ihn ihr wortlos reichte. Wenn sie vergaß, ihn durch den Briefschlitz zu stecken, war es auch egal; ich würde mein Büro morgen ohnehin nach Hause verlegen, denn dieses zerfallende Gebäude deprimierte mich.
    »Gibt's eine Toilette auf diesem Stockwerk?« erkundigte sie sich, als sie den Schlüssel einsteckte.
    »Da mußt du rauf in den sechsten Stock. Aber wenn's nicht sehr dringend ist, würde ich das daheim erledigen: Es ist ziemlich duster da, und, na ja ... die Hygiene ... Oder geh doch in den Coffee-Shop, wo du heute nachmittag schon mal warst. Die haben sicher nichts dagegen.«
    Sie folgte mir den Flur entlang. »Ich komme schon zurecht. Mit der Hy giene, meine ich. Außerdem habe ich eine Taschenlampe mitgebracht.«
    »Ich würde dir raten, die Treppe hochzugehen«, fügte ich hinzu. »Der Aufzug hat seine Macken; wenn du ihn doch benutzt und steckenbleiben solltest, kannst du die Falltür oben aufdrücken und da rausklettern. Das mache ich immer.«
    Sie wirkte erstaunt, wollte mir aber beweisen, daß sie genauso hart im Nehmen war wie ich. Also drückte sie auf den Aufzugknopf, und schon setzte sich der Lift ächzend in Bewegung.
    Am oberen Ende der Treppe rief ich ihr zu: »Und bitte schließ mein Büro ab. Wenn der Computer morgen früh weg ist, wirst du ihn mir ersetzen müssen.«
    Deirdre gab keine Antwort, aber als ich über die Schulter noch einmal zurückblickte, sah ich, wie sie mich mit einem kokett - militärischen Gruß verabschiedete. Ich

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