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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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umständlich, ins Studio zu kommen, weil man dann nicht, wie im Sommer, mit dem Fahrrad am Lake Michigan entlangfahren konnte.
    »Haben Sie denn überhaupt noch Zeit für andere Aktivitäten?« erkundigte ich mich. »Ehrenamtliche Tätigkeiten und so?«
    Eleanor hatte keine Zeit für ehrenamtliche Tätigkeiten, gestand sie verschämt. Wir Frauen glauben immer, eine Vollzeitbeschäftigung sei keine ausreichende Rechtfertigung für unser Dasein. Wenn wir keine zusätzlichen Projekte am Laufen haben, die ebenfalls den Charakter einer Vollzeitbeschäftigung annehmen, schämen wir uns für unsere Trägheit.
    »Aber Sie sind doch noch in anderen Ausschüssen, nicht wahr? Ich habe mich gerade mit einer Freundin unterhalten, die mir erzählt hat, daß Sie ein wichtiges Wort bei der Century Bank mitzureden haben. Wie läuft's denn so? Uptown ist nicht der allerbeste Ort für Hypotheken.«
    »Tja, das ist wirklich traurig. Aber sie haben sich einfach übernommen mit dem Geld, das sie der Kommune geliehen haben. Wir haben keine Ahnung, wie oder ob wir sie überhaupt retten können.«
    »Haben Sie deshalb das Lamia-Projekt abgeblasen? Schließlich waren alle Unterlagen doch schon unterzeichnet. Ich könnte mir vorstellen, daß die Frauen ziemlich aus der Fassung waren, als der Kredit so plötzlich zurückgezogen wurde.«
    Sie erstarrte und wich einen Schritt von mir zurück. »Woher wissen Sie die Sache mit Lamia?«
    »Na ja, Sie wissen schon, von Freunden, wie das immer so ist. Warum, ist das ein großes Geheimnis?« Ich versuchte, so locker wie möglich zu klingen. »Geheimnis? Nein, nein.« Sie schaute die Straße hinauf. »Wo bleibt denn der verdammte Bus? Wahrscheinlich geht's schneller, wenn ich rüber zum Wacker Drive schaue und mir da ein Taxi nehme: So spät am Abend krieg' ich westlich vom Fluß sicher keins mehr. Schön, Sie wiedergesehen zu haben, Vic.«
    Ein oder zwei Minuten nachdem sie über die Brücke verschwunden war, hielt der Bus Nummer zwanzig vor mir. Als wir Ecke Wacker/Washington vorbeifuhren, sah ich Eleanor in den Portikus der Oper gekauert. Sie winkte kein Taxi heran, sondern sprach in ihr Mobiltelefon. Vielleicht war ihr gerade eingefallen, daß ihre Mutter Geburtstag hatte, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, daß sie da etwas anderes besprach. Ich fuhr mit dem Bus bis zur Michigan Avenue und rannte in die Tiefgarage, um meinen Wagen zu holen. Wenn ich jemals wieder Geld übrig hätte, würde ich es in ein eigenes Handy investieren. Auf lange Sicht war es mit Sicherheit billiger und einfacher als mein gegenwärtiges Kommunikationssystem: In meiner Eile, nach Hause zu meinem Telefon zu kommen, wurde ich angehalten, weil ich statt der auf dem North Lake Shore Drive vorgeschriebenen sechzig Stundenkilometer fast hundert fuhr. Manchmal habe ich Glück und treffe auf einen Streifenpolizisten, der meinen Vater noch kannte, aber immer mehr von diesen Männern gehen allmählich in den Ruhestand. Der Polizist, mit dem ich es zu tun hatte, war jedenfalls jung, eifrig und unbestechlich. Und er ließ sich Zeit dabei, meinen Strafzettel auszuschreiben. Es war halb acht, als ich endlich in meinem Wohnzimmer stand und Camilla anrufen konnte. »Hallo, ich hab' gehört, du willst mit mir sprechen«, sagte sie. »Komisch, ich wollte auch mit dir reden. Weißt du noch, Wie wir uns am Dienstag in Pho ebes Büro darüber unterhalten haben, daß die Baugenehmigung und die Finanzierung futsch sind? Tja, heute ist fast so was wie ein Wunder passiert. Vielleicht sollte ich das Ganze eher eine Begnadigung nennen. Die Frauen stehen nicht alle hundert Prozent hinter der Sache.«
    »Ich hab' gehört, daß ihr vielleicht was für Home Free machen könnt. Ist das was Konkretes?«
    »Du meinst, ob wir eine hundertprozentige Garantie haben? Das weiß ich nicht. Ich glaube, es geht um die Sanierung eines Wohnhauses mit zwölf Einheiten. Ecke Lawrence/California. Wir sind heute hingefahren, um's uns anzuschauen. Wenn ich ganz ehrlich bin, sieht die Sache nicht besonders gut aus. Die elektrischen Leitungen und die Rohre sind ziemlich im Eimer, und Home Free will da seine eigenen Handwerker einsetzen.«
    Ich suchte unter den Papieren neben dem Telefon einen Chicagoer Stadtplan heraus und sah nach, wo das Haus war, von dem sie redete. »Das liegt ungefähr eineinhalb Kilometer südlich von dem ursprünglichen Objekt. Mitten im Drogenviertel. Wollt ihr das wirklich machen?«
    »Wie Phoebe neulich schon sagte: Wir müssen uns erst mal

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