Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin
kleine Straße zurückzulaufen, und als wir bei der Hauptstraße angelangt waren, verschwand der Erzengel. Ich blickte in Richtung der Kanalbrücke und konnte – natürlich – dort einen Engel auf mich warten sehen. Er war hochgewachsen, schlank, elegant, weiß wie frisch gefallener Schnee und von einem strahlenden Leuchten. Ich ging langsam, so wie Michael es mir aufgetragen hatte, und als ich den Fuß auf die Brücke setzte, fühlte ich mich mit einer kleinen Seele verbunden.
Der Engel stand in der Brückenmitte, und als ich ihn erreicht hatte, blieb ich bei ihm stehen. Während er mich mit großer Sanftmut und Liebe ansah, sagte er: »Ich heiße Engel Arabia.« Dann berührte er meine Hand und ich drehte mich zur Seite und blickte den Kanal entlang. Die ganze Szenerie schien sich hinter Glas zu befinden, nichts bewegte sich mehr, so wie auf einem Bild. Mir wurde erlaubt, die Empfindungen der Mutter und ihre Liebe für ihr ungeborenes Kind zu spüren, doch dazu kamen Tränen,
unendlich viele Tränen. Während ich auf der Brücke stand, lief jemand an mir vorüber, sagte »Hallo« und gewohnheitsmäßig grüßte ich zurück.
Anschließend nahm ich den Rest meines Weges über die Brücke, dann den Hügel hinunter in unser Städtchen. Der Engel hielt sich die ganze Zeit über an meiner Seite. Passanten und Autos kamen in beiden Richtungen an uns vorbei, und ich wisperte: »Bis bald, Engel Arabia.«
Dann widmete ich mich meinen Einkäufen. Denn mein Alltag als Mutter und Ehefrau bestand ja weiter, parallel zu meiner Arbeit mit den Engeln.
Im Lauf der folgenden Monate wuchs das Baby im Bauch seiner Mutter heran und ich wurde mehr und mehr mit seiner kleinen Seele vertraut, erlebte die Liebe, die das Kleine seiner Mutter sandte und umgekehrt die tiefe Liebe der Mutter zu ihrem ungeborenen Kind. Obwohl ich die Frau nie deutlich sehen konnte, sie wirkte die ganze Zeit über eher geisterhaft auf mich, wusste ich, sie war da – und sie kämpfte.
Ich lief jeden Tag mindestens ein Mal über die Kanalbrücke, manchmal auch sehr viel öfter; immer wieder fragte ich den wie in Zeitlupe neben mir herschreitenden Engel Arabia: »Warum ist die Verbindung auf meinem Weg den Hügel hinunter weniger stark als auf der Brücke?«
Ich bekam nie eine Antwort. Eines Tages sagte ich zu ihm: »Manchmal habe ich das Gefühl, die Mutter und ihr Kind wären auf diesen beiden Feldern hier, jenseits der Mauer. Ab und zu verspüre ich den Wunsch, über die Mauer zu klettern und mich auf die Suche nach den beiden zu machen, dabei weiß ich ja, dass sie nicht dort sind, genauso wenig wie hier auf der Strecke am Kanal entlang. Kannst du mir nicht mehr darüber sagen?«
Doch der Engel entgegnete nur: »Wenn es notwendig sein wird.«
Während der vielen Jahre meines Umgangs mit den Engeln habe ich eines gelernt: Unabhängig davon, wie oft man ihnen eine Frage stellt, sie werden niemals von
der ersten einmal gegebenen Antwort abweichen. Und gelegentlich antworten sie gar nicht erst. Ich muss Hunderte Male an der Seite von Engel Arabia über die Brücke gelaufen sein, und habe ihn dabei sehr häufig um mehr Information gebeten, doch immer nur zu hören bekommen: »Falls und wenn es notwendig sein wird.«
Eines Vormittags, die Kinder waren schon in der Schule, sagte ich zu Joe, ich ginge rasch ins Städtchen, um ein paar Kleinigkeiten zu besorgen und in der Apotheke sein Rezept einzulösen. Ich käme dann so schnell wie möglich zurück. Auf dem Weg vom cottage zu den Läden fielen mir einige Veränderungen auf: Engel Arabia erwartete mich nicht wie sonst in der Mitte der Brücke, sondern am Ende meiner kleinen Straße, in einiger Entfernung von der Brücke. Als ich in Richtung Kanal blickte, bemerkte ich – nicht auf der Brücke selbst, aber rechts davon – eine Art Dunst.
Nachdem ich bei Engel Arabia angelangt war, schloss er sich mir an. Gemeinsam liefen wir weiter. Ich spürte die Stille, die voll unausgesprochener Worte hing. Ich hätte gerne mit ihm geredet, wusste jedoch, ich durfte das nicht. Im Näherkommen entdeckte ich, dass der vermeintliche Dunst über dem Wasser und den Uferbänken des Kanals gar keiner war, sondern – Engel! Über dem gesamten Areal entlang den Ufern bis zur Brücke lag ein milchig weißer Dunst voller Engel – schneeweiße, wundervolle, hell leuchtende Engel.
Ich stand einfach da, überwältigt von der Schönheit wie auch der Fremdartigkeit dieses Anblicks, und Engel Arabia berührte meine Hand. Ich konnte
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