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Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Haderer
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Gefühl, unfreiwilliger Darsteller in einem improvisierten Narrenstück zu sein. Was, wenn dieser Mann ihm gegenüber ein Aufnahmegerät in seiner Aktentasche hatte? Oder vielleicht sogar eine Minikamera irgendwo an seinem dunkelblauen Dreiteiler mit Krawattennadel, Manschettenknöpfen, Stecktuch … oder war das nur eine Nachwirkung dieses Tees, die ihn plötzlich so paranoid machte?
    „Richtig … und beide Mitglieder des BOG …“
    „Und was wollen Sie jetzt von mir?“
    „Sie haben doch Beziehungen“, sagte Bergmann und ließ die Worte ein paar Sekunden ins Ego des Richters tröpfeln, „werden Sie Mitglied.“
    „Also Sie sind mir wirklich einer, Herr Bergmann … faustdick hinter den Ohren …“
    Als der Richter Bergmanns Büro verließ – Euphorie und Tatendrang hatten ihn so sehr gefangen, dass er die Beamtin am Empfang zum Abschied wahrscheinlich Miss Moneypenny nannte – war es kurz nach vier. Bergmann stellte sich ans Fenster, drückte seine Handknöchel, bis es knackte, und entschied sich dann, etwas zu tun, das ihm einen Monat, nein, die Woche zuvor, noch unvorstellbar gewesen wäre. Er öffnete Schäfers Schrank, nahm dessen Badesachen heraus, roch zur Sicherheit daran, packte sie in eine Stofftasche, verließ das Gebäude und nahm die U-Bahn zur Neuen Donau. Und es fühlte sich gut an. Als ob ein zehengeiler Hecht hinter ihm her wäre, kraulte er zum anderen Ufer, zurück, das Ganze noch einmal, das Ganze noch einmal, ha, die Eignungsprüfung für die Kobra würde ich immer noch locker bestehen, sagte er sich, als er schwer schnaufend im Gras saß. Aber was hilft mir das, wenn mein Hirn zu beschränkt ist, um Schäfer zu finden? Ja, es gab diese Phase so gut wie immer bei komplizierten Fällen: wo man in einem Informationshaufen stand wie in Treibsand und mit jeder Bewegung tiefer sank. Wo es einem auch nichts half, sich zu sagen: Ist ja nicht das erste Mal, ist ja eh immer wieder so. Wo jede Anstrengung die Ohnmacht noch größer zu machen schien, die Verzweiflung mit jedem Tag wuchs, an dem sich kein Riss in der Wand vor einem zeigte, von einem Durchbruch ganz zu schweigen. Doch bis jetzt war die Verantwortung dafür eben nicht in diesem Ausmaß bei ihm gelegen. Wenn er jetzt eine Schlagzeile zu lesen bekam: Polizei tappt im Dunkeln, Polizei ohne neue Erkenntnisse, Polizei ist einfach viel zu deppert – dann konnte er gleich sich selbst zum Subjekt machen und den Vorwürfen nur recht geben. Er ließ sich auf den Rücken fallen und hob theatralisch flehend die Hände zum Himmel. Zu den Engeln. Wussten sie eigentlich schon etwas über die Symbole auf diesen Anhängern? Wer verfolgte eigentlich diese Spur? Bergmann nahm sein Handy, rief Lorenz an und sprach ihm auf die Mailbox. Er kannte freilich selbst jemanden, der sich als Religionswissenschaftler ziemlich sicher mit Engeln und Dämonen auskannte und nebenbei noch ein guter Freund Schäfers war. Problem: Er mochte diesen Mann nicht. Und seine Nummer hatte er auch nicht. Er rief die Auskunft an. Die Nummer von Amos Goldman, bitte.

40.
    Seit zwei Stunden saß er auf einer Wartebank am Züricher Bahnhof. In einem Diskontshop hatte er sich eine beige Cargohose, ein T-Shirt mit dem Schweizer Kreuz, einen Fleecepullover, eine Regenjacke, ein Paar Sportschuhe, einen Sonnenhut, einen leichten Rucksack, eine Zahnbürste, Zahnpasta, Seife und einen Fünfer-Pack Einwegrasierer gekauft – alles zusammen um hundertdreißig Franken, also gut hundert Euro. Auf der Bahnhofstoilette hatte er sich geduscht, umgezogen, seine alte Kleidung in den Rucksack, die Schuhe in den Mülleimer gestopft. Jetzt saß er da, sah aus wie ein billiger Wandertourist, der eine Pauschal-Busreise zu den Naturwundern der Schweiz gebucht und dann die Abfahrt verpasst hatte; mit dem Rasieren wollte er noch warten; vielleicht tauchte ja irgendwo ein Fahndungsbild von ihm auf und dann wäre ein Vollbart praktisch. Zwei Polizisten schlenderten vorbei, er nahm den Walliser Boten aus dem Rucksack und begann, gelassen darin zu blättern. Als die schwarz-blauen Uniformen die Rolltreppe nach unten nahmen, legte er die Zeitung wieder weg. Er verstand sie ohnehin nicht, wie er auf der Zugfahrt von Montreux nach Zürich festgestellt hatte. Das Dunkel in seinem Kopf schien keinen Grund zu haben; es war ein schwarzes Loch, das die Informationen aus den Zeitungen einsaugte, ohne eine Spur zu hinterlassen. Dass Barack Obama Präsident der Vereinigten Staaten war, überraschte ihn ebenso wenig

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