Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)
ihm aufgebaut hatte.
„Also, wie beurteilen Sie die Sachlage?“
„Was Ihre Thesen zum Unfallhergang angeht“, Bergmann fühlte sich völlig überrumpelt, „die sind in sich wohl schlüssig …“
„Ja, das will ich doch meinen.“
„Bezüglich des Motivs und allfälliger Verdächtiger sehe ich die Sache allerdings nicht so klar …“
„Was wollen Sie damit sagen?“
„Herr Doktor Schlatter … Ihnen als erfahrenem Justizbeamten muss ich nichts erzählen über die personelle und finanzielle Situation, in der sich unsere Dienststelle befindet … um im Verdächtigenkreis, den Sie angeben, effizient ermitteln zu können, bräuchte ich eine Soko mit mindestens zwanzig Mann …“
Der Richter hob kurz den Kopf zur Decke, führte den Zeigefinger seiner rechten Hand zur Unterlippe und umkreiste dann den Unfallwagen, wobei er beständig nickend unverständlich vor sich hin murmelte.
„Die Unterlagen, in deren Besitz Sie sind, entbehren natürlich noch der Vollständigkeit“, sagte er, als er wieder vor Bergmann stand. „Schließlich musste ich mich vorher vergewissern, ob ich Ihnen trauen kann oder … in den nächsten Tagen werde ich Ihnen Dokumente zukommen lassen, wesentlich brisanteren Inhalts, wie Sie versichert sein können … das dürfte Ihre Ermittlungen entsprechend effizienter gestalten …“
„Wen verdächtigen Sie?“, nach dem ausweichenden Geschwafel des Richters spürte Bergmann plötzlich seine Chance, diesem den Wind aus den Segeln zu nehmen, ihn so weit zu bringen, dass er noch am selben Abend die Akte über den Bürgermeister in seinen atomkriegssicheren Keller brachte und seine Energie wieder Lady Di oder Grace Kelly widmete.
„Den BOG “, sagte Schlatter nach kurzem Zögern und sah Bergmann an, als ob er ihm anvertraut hätte, dass der Papst eine Frau wäre.
„Den BOG … und das ist wer?“
„Ha! Sehen Sie … ein Verein, der zu den reichsten Österreichs gehört, und nicht einmal die Kriminalpolizei hat Kenntnis von ihm! Das müsste Ihnen doch allein schon zu denken geben … B-O-G: Bündnis zur Optimierung gesellschaftlicher Strukturen … davon haben Sie wirklich noch nie gehört?“
„Nein“, erwiderte Bergmann, bemüht, höflich zu bleiben, „es gibt so viele Vereine und reiche Leute in Österreich … und solange die keinen umbringen, sehe ich keinen Anlass, jeden davon zu kennen.“
„Na dann haben Sie jetzt die Gelegenheit dazu!“
Bergmanns Handy läutete. Der Anrufer saß gut zwanzig Meter entfernt in seinem Büro und hielt wahrscheinlich gerade seinem Hund einen Keks hin.
„Ja“, meinte Bergmann ernst, nickte dem Richter zu und entfernte sich ein paar Schritte, „gibt’s Zeugen? … Auf jeden Fall … Flughäfen, Bahnhöfe … und vergesst die ungarischen Grenzer nicht! … Ja, ich nehme den nächsten Zug!“
Er steckte das Handy in die Jacketttasche, drehte sich zu Schlatter um und sah ihn entschuldigend an.
„Es tut mir furchtbar leid, Herr Richter … die Pflicht.“
„Gut gut … lassen Sie sich nicht aufhalten … ich kann Ihnen besagte Dokumente auch postalisch zukommen lassen … was ich noch wissen wollte …“
„Nein, leider, wir haben noch nichts über den Verbleib von Major Schäfer herausgefunden“, erwiderte Bergmann, nahm seine Aktentasche, ging langsam Richtung Werkstor und blieb neben dem schwarzen Bentley stehen.
„Nun denn, Chefinspektor … viel Erfolg einstweilen und: Wir hören voneinander.“
„Danke, Herr Schlatter … gute und sichere Heimfahrt!“
Bergmann wartete, bis der Wagen des Richters aus seinem Blickfeld war, und marschierte dann zum Bürocontainer neben dem Hangar.
„Danke, Markus … ein paar Minuten länger und …“
„Du wirst doch keinen Richter erschießen! … Magst du jetzt einen Kaffee?“
„Gern … wie du den Spinner immer wieder aushältst …“
„Ich? Sehr gut … was glaubst du denn, wer ihm gesteckt hat, dass ihr für diesen Unfall die Richtigen seid … sonst bekomme ich euch ja gar nicht mehr zu sehen!“
„Tut mir leid“, sagte Bergmann halb amüsiert, halb schuldbewusst. „Du weißt ja, wie es ist …“
„Kein Vorwurf … wir beide halten es auch ohne die Wiener ganz gut aus, oder, Chevy?“
Kurz nachdem Bergmann in den Zug nach Wien eingestiegen war, rief Leitner an. Die Ballistiker hatten herausgefunden, dass die beiden Projektile, mit denen in der Nacht zuvor der Kosovare ermordet worden war, aus derselben Waffe stammten, mit der sich das alte Ehepaar umgebracht
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