Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)
hatte. So schnell?, wunderte sich Bergmann, der frühestens in drei Tagen mit einem Ergebnis gerechnet hatte. Und natürlich hatte wieder einmal Koller dazu beigetragen. Dem Gerichtsmediziner, der auch die beiden Selbstmörder obduziert hatte, war neben dem Kaliber 7,62 auch irgendetwas an der Legierung aufgefallen, das ihn veranlasst hatte, die Projektile sofort an die Ballistik zu liefern und Kamp anzurufen.
„Gut … heute Abend hast du hoffentlich nichts vor“, sagte Bergmann ins Telefon, „wir beide werden nämlich den Müller besuchen.“
9.
Kurz vor sechs trafen sie sich im Besprechungsraum – Bergmann, Leitner, Kovacs, Schreyer – und gingen die Bilanz des zu Ende gehenden Tages durch. Zwei Akten konnten sie abhaken: Der slowenischen Polizei war bei einer Verkehrskontrolle ein Mann ins Netz gegangen, den sie seit drei Wochen wegen versuchten Mordes an seiner Mutter suchten. Absprache mit der Staatsanwaltschaft, Auslieferungsantrag, Strich drunter. In der Steiermark hatte ein Waldarbeiter in einem Stausee die Leiche einer jungen Frau gefunden, die verdächtig war, ihren zehn Monate alten Sohn mit einem Polster erstickt zu haben. Gerichtsmedizin, Identifizierung, nächster Fall: Leitner hatte sich die Überwachungsvideos des Nachtclubs angesehen, vor dem der Kosovare erschossen worden war. Betreten hatte dieser das Lokal kurz nach Mitternacht, verlassen um zehn vor drei, ein paar Schritte später war er tot. Getötet mit einer Walther P1, die jemand einem alten Selbstmörderpaar in einem Park entwendet hatte. Wobei es wahrscheinlicher war, dass derjenige die Waffe zufällig gefunden und dann verkauft hatte, als dass er damit selbst den Mord begangen hatte.
„Kovacs, Sie gehen die Hehler ab … erzählen Sie ruhig, woher die Walther stammt … vielleicht ist ja einer von der gottesfürchtigen oder abergläubischen Fraktion darunter, der meint, dass Selbstmörderwaffen mit einem Fluch belegt sind … Leitner, wir nehmen uns dann den Müller vor … weiß er, dass wir kommen?“
„Ja, ab neun ist er im Club … hat uns eh schon vermisst, hat er gemeint …“
„Dem werden diese Sprüche auch noch vergehen.“
Gegen Ende der Besprechung überlegte Bergmann, seine Kollegen zum Abendessen einzuladen – sah schließlich aber davon ab, weil er sich nicht im Klaren darüber war, wie sie diese spontane Gunstbezeugung auslegen würden. Als gönnerhafte Geste; als Symbol der neuen Hierarchie; oder schlicht als Diebstahl ihrer knappen Freizeit? Begnügte er sich eben mit Leitners Gesellschaft in einer Pizzeria ums Eck, wo sie wie zumeist inmitten von anderen Kriminalpolizisten saßen – verirrte sich ein Tourist dorthin, würde er angesichts der zahlreichen Lederjacken und darunter hervorblitzenden Waffen glauben, sich im Stammlokal der neapolitanischen Mafia-Zweigstelle Wien zu befinden. Und schnell kehrtmachen.
„Du bist heute mit dem Zug nach Wiener Neustadt“, sagte Leitner, während sie auf das Essen warteten.
„Ja, und?“
„Nichts … hab mich nur gewundert … Schäfer war bisher …“
„Hört bitte auf mit dem Stuss, dass ich jetzt zu Schäfer mutiere, wenn ich die Öffentlichen benutze … bleibt einem mehr Zeit zum Arbeiten … außerdem spart es CO 2 …“
„Hm, der Klimawandel, ja“, sagte Leitner, nahm einen Zahnstocher aus der Menage und fing an, darauf herumzukauen. „Weißt du, was das Problem ist?“
„Wobei?“
„Meine Frau …“
„Die ist sicher nicht das Problem.“
„Lass mich ausreden … vor ein paar Tagen, da sieht sie sich so eine Doku über den Nordpol an, vielleicht war’s auch der Südpol, ist ja egal, jedenfalls was über das Ende der Eisbären, dass denen das Fressen ausgeht oder die bald alle ersaufen, wenn es mit dem CO 2 und dem Klima und der Polschmelze so weitergeht … ich bin dann malen gegangen, kann mir so was nicht anschauen, da werde ich depressiv …“
„Du malst … nicht im Ernst …“
„Wieso nicht … hilft mir beim Entspannen … besser als saufen, oder? … Jedenfalls sitzt sie vorm Fernseher und kriegt das große Elend, als sie dem Eisbärjungen da zusieht, wie es ohne Mutter durch den Schneesturm irrt … und die den Film gemacht haben, ja, glaubst du, die hätten den kleinen Pelzwuzel gerettet?“
„Das ist ja eine Dokumentation und keine Tierretteraktion“, erwiderte Bergmann und fragte sich, wie es Leitner immer wieder gelang, ihn in absurde Diskussionen zu verstricken.
„Egal … ich jedenfalls im Arbeitszimmer beim
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