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Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Haderer
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unrecht“, Bergmann seufzte, „was hier jeden Tag los ist … aber wie wir das lösen sollen, da habe ich keine Ahnung …“
    „Ich würde die alle an die Wand stellen und abknallen … einen nach dem anderen …“
    „Ja … das wünsche ich mir manchmal auch … aber das sagst du niemandem weiter, okay?“
    „Voll okay …“
    „Gut … wie machen wir weiter?“
    „Wieso …“
    „Weil es jetzt um dein Leben geht … um die Anzahl der Jahre, die du absitzen musst … was wir an Bewährung rausschinden können …“
    „Ich habe dem anderen schon gesagt, dass …“
    „Patrick!“, Bergmann fasste den Jungen am Arm, „es gibt dich, uns … und dann das System … denen ist egal, ob der, den du erschossen hast, ein beschissener Zigeunerzuhälter war oder nicht … die finden die Waffe, die finden andere Zeugen, die löchern deine Freunde aus der Schule so lange, bis einer verrät, was du ihm irgendwann letzte Woche im Rausch verraten hast, kapierst du? Das habe ich schon Hunderte Male erlebt. Hier ist Endstation, und noch hast du eine kleine Chance, wie es weitergehen soll.“
    Bergmann saß in der Kantine, vor sich einen Pfefferminztee, der kalt wurde, und schaute gedankenverloren ins Nichts.
    „Kompliment, Chef!“, Kovacs setzte sich an seinen Tisch, was ihm sofort als ungezogen erschien.
    „Danke.“
    „Das war echt … also was fürs Lehrbuch … eine Stunde siebenundzwanzig … geil …“
    „Lassen Sie mich in Frieden“, erwiderte Bergmann und griff zu seinem Teeglas, „ich brauche ein paar Minuten Ruhe.“
    „Okay … Entschuldigung“, sagte sie eingeschnappt und entfernte sich.
    Eine Stunde siebenundzwanzig. Super, Bergmann. Lügen, Tricks, falsche Verbrüderung. Wie aus dem Lehrbuch. Nur, dass darin nichts stand, wie man die Verbindung wieder kappen konnte, ohne selbst Schaden zu nehmen. Er bediente hier keine Hebel wie ein Maschinist. Und auch wenn das, was der Junge getan hatte, verachtenswert war, was war mit ihm selbst? Was war mit seinem Vater, der dreihundert Tage im Jahr um die Welt flog, um Staudämme zu bauen, wegen denen ganze Dörfer ausgesiedelt werden mussten? Was war mit seiner Abwesenheit und der Verlorenheit, die sie in seinem Sohn erzeugte? Ja, klar, darum durfte er, die Verhörmaschine, sich nicht kümmern; diese Zusammenhänge waren die Arbeit der Gutachter und des Gerichts. Details und Kleinigkeiten. Doch wohin sollte das alles führen? Wann würde es gesellschaftlich akzeptiert sein, schäbig aussehende Roma, die sich nachts um die Häuser trieben und damit Zeugnis ihres nichtsnutzigen Lebens ablegten, wie tollwütige Hunde zu erschießen? Spielte sich das nur in seinen Gedanken ab oder war es wirklich so, dass die Situation Jahr für Jahr schlimmer wurde? Auf beiden Seiten. Da die Migranten – sowohl die verzweifelten Flüchtlinge als auch das niederträchtige Scheinasylantenpack, die auf den ersten Blick nicht so leicht zu unterscheiden waren –, auf der anderen Seite die Angsterfüllten, die Verlierer, die Ungebildeten, deren animalischer Instinkt gegen die Einnahme ihres Reviers immer stärkere Aggressionen hervorrief. Er glaubte es selbst nicht, aber er hatte abermals Lust, sich zu betrinken.
    Isabelle rettete ihn. Am frühen Abend rief sie an, teilte ihm mit, dass sie gerade gelandet wäre und ihn unglaublich gern treffen würde. Wie wäre es um sieben im Milano? Er zögerte. Diese schleimige Potenz-, Imponier- und Aufreißbar in der Mariahilfer Straße. Ja, gern, sagte er dann, weil es ihm widerstrebte, dieselben Ressentiments zu hegen, mit denen Schäfer dem gesellschaftlichen Umfeld seiner Freundin oftmals begegnet war. Scheiß Schickimicki-Abteilung, was findet sie an denen bloß?, klang es in Bergmanns Ohren wieder, er schaute auf den mittlerweile über einen Monat leeren Stuhl gegenüber und bekam eine Gänsehaut: War es vielleicht tatsächlich nicht Schäfer, den er aushalten und zugleich bewundern hatte müssen? War es diese Position, dieser Raum, dieser Stuhl, seine ganze auf dieses Arbeitsumfeld bezogene Geschichte, die ihm diesen Charakter wie ein geschecktes Fell umgehängt hatten? Oder warum wurde er, Chefinspektor und nun Gruppenleiter Bergmann, seit geraumer Zeit von diesen ungewohnten Stimmungen, Begierden und Träumen heimgesucht? Schluss jetzt. Eine Stunde hatte er noch Zeit; die wollte er nützen, um beim Bündnis zur Optimierung gesellschaftlicher Strukturen mehr über diesen Marsant herauszufinden.
    Eigentlich war er froh darüber, dass

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