Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)
Morgenbesprechung.
Patrick Senitschnig hatte ein umfassendes Geständnis abgelegt, die Waffe lag am Grund des Donaukanals, wo gerade die Blasen der Polizeitaucher an die Oberfläche ploppten. Beschafft hatte er sich jene im Vogelweidpark, wo er den Selbstmord des alten Ehepaars mitbekommen und ohne zu zögern die Gelegenheit ergriffen hatte. Der Kosovare vor Müllers Nachtclub? Erfüllte das Opferprofil: dunkle Haut, schwarze Haare, ungepflegt, tätowiert, betrunken, kam aus einem Nachtclub.
„Zum Glück haben wir den vor meinem Urlaub erwischt“, meinte Leitner. „Ich, voll braungebrannt und mit der Ledernen …“
„Halt’s Maul“, stellte Bergmann ihn ruhig.
Die Untersuchungen der Forensiker sowie der Gerichtsmedizin im Fall der zu Tode gestürzten Frau hatten nichts Belastendes gegen den Ehemann ergeben. Zusammen mit den Zeugenaussagen der Nachbarn und der beiden Schüler ergab sich ein Bild, das sich mit dessen Schilderung deckte: ein Streit, eine unüberlegte Aktion, ein böses Missgeschick, ein verzweifelter Witwer, Punkt.
„Was soll ich eigentlich dem Richter sagen, wenn er das nächste Mal anruft oder ein Mail schreibt? … Also heute Nachmittag zum Beispiel …“, wollte Kovacs wissen.
„Dass wir dran sind, aufgrund der beschränkten Ressourcen und der umfangreichen Ermittlungen, bla, bla, bla … sonst sind Sie ja auch nicht auf den Mund gefallen, oder?“
„Eh nicht … aber der hat halt Beziehungen“, erwiderte sie. Bergmann sah Kovacs einen Augenblick gedankenverloren an.
„Richtig … deshalb bitten Sie ihn, mich im Lauf der Woche zu besuchen, weil ich auf etwas draufgekommen bin, das ich nur unter vier Augen mit ihm besprechen will … ha, genial!“
Seine Kollegen starrten Bergmann verdutzt an. Was war denn das? Schäfer-Alarm?
Tannhäuser wäre auf der Krankenstation. Gebrochene Nase und Gehirnerschütterung. Hätte beim Duschen einen epileptischen Anfall erlitten und wäre mit dem Gesicht voraus auf die Fliesen gekracht. Jetzt läge es im Ermessen des Arztes, wann der Häftling vernehmungsfähig sei. Bergmann legte auf, überlegte kurz und rief Kamp an. Er müsse so bald wie möglich nach Stein, Tannhäuser befragen, ob der Oberst da nicht etwas deichseln könnte. Eine halbe Stunde später hatte Bergmann einen Termin für den folgenden Tag.
Den Anruf, den er eine halbe Stunde später erhielt, konnte er im Nachhinein nur unter der Schäfer’schen Erfolgsweisheit „Wenn’s läuft, dann läuft’s“ verbuchen. Selma. Die Seenymphe von Ottenstein. Als sie nach der Mountainbike-Tour mit den Gästen ins Hotel zurückgekommen war, hatte die Rezeptionistin ihr erzählt, dass am Sonntag ein Polizist da gewesen sei. Ach, warum denn das? Der hat nach dem Franzosen gefragt, der das Seminar im Frühjahr gemacht hat. Ach, wieso denn das? Ja, und ein Foto wollte er auch, aber da habe ich ihm leider nicht helfen können. Schade, wo er doch so nett war.
„Ja, richtig, das war ich … Genau um den geht es, woher weißt du das?“, Bergmann konnte sich nicht erinnern, dass sie sich am See oder während der Autofahrt geduzt hatten, aber warum auch nicht. „Stimmt, war ja gestern in der Zeitung … Ja, das ist mein Vorgesetzter … Du? … Hast du die beiden fotografiert? … Das ist nicht dein Ernst … Wenn ein Mann so was macht und ich erwische ihn dabei … Egal, mail sie mir bitte … Analog? … Dann scann sie ein … Okay, dann machst du jetzt bitte das bestmögliche Bild, das du mit deinem Handy zustande bringst, und schickst es mir … Wenn es sich morgen ausgeht mit dem Scan, bin ich dir was schuldig … Ich trage keine Uniform … Ja, danke …“
Was ist bloß mit der Jugend los, dachte er und lachte sich gleich darauf selbst aus. Aber wirklich: Wie diese Göre mit ihm redete; als ob sie eine Affäre gehabt hätten. Ob er eine Uniform hätte, in der sie ihn einmal fotografieren könnte. Egal. Alles egal, wenn sie wirklich ein Foto von diesem Marsant hatte. Das musste man sich einmal vorstellen, sagte er sich, während er einen Tee aufgoss, die fuhr mit ihrem Mountainbike zu den Plätzen, wo diese Urschrei-, Wolfskraft- und sonstigen hirnrissigen Männerseminare stattfanden, versteckte sich und knipste die halb- oder ganz nackten Kerle, wie sie sich mit Erde beschmierten, an Bäumen rieben wie Wildsauen und in Bächen herumhüpften. Eine Spannerin, wenn man es genau nahm. Wiewohl das kalte Bachwasser dem Wunsch der Fotografin nach mächtigem Männerstolz wohl wie zum Hohn
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