Engelsauge - Die Jagd beginnt (German Edition)
raffte mich auf und stieg aus dem Auto. Ich war nicht Schuld, denn ich habe sie nicht umgebracht, sagte ich laut vor mir her, damit mein Gehirn und mein Herz dies auch verstanden.
Als ich gerade an der Haustür meinen Schlüssel aus der Tasche kramte, hielt hinter meinem Pick-up ein kleines gelbes Auto. Eine Frau Ende vierzig mit kurzen rötlich braunen Haaren und einer Brille stieg aus und kam auf mich zu.
»Du musst Enya sein, oder?« Ich nickte.
»Hallo, ich bin Lisa. Lisa Strix. Du hattest mich angerufen.«
An sie hatte ich jetzt gar nicht mehr gedacht, aber ich war froh, dass sie gleich gekommen war, wobei ein Anruf es auch getan hätte. Ich bat sie mit ins Haus, und nachdem ich uns einen leckeren Eistee zubereitet hatte, gingen wir damit nach hinten in den Garten und setzten uns an den Tisch. Der Frühling war in vollem Gange und die Blumen, die Stewart liebevoll eingepflanzt hatte, blühten in all ihrer farbenfrohen Pracht. Ich hatte mir keine Vorstellungen von seiner neuen Freundin gemacht, aber sie machte einen netten und freundlichen Eindruck. Doch etwas in ihren Augen ließ mich unsicher werden. Ich wusste nicht genau, wieso, und ich konnte auch nichts dagegen machen, aber mein Gefühl mahnte mich zur Vorsicht.
»Also, es ist schön, dass wir uns endlich einmal kennenlernen. Stewart hat mir schon viel über dich erzählt. Allerdings hätte ich lieber andere Umstände für unser Treffen gehabt.«
»Ja, wer hätte das nicht.« Ich goss uns Eistee ein und versuchte, weiterhin unvoreingenommen zu sein.
»Also, du willst sicherlich mehr über sein Verschwinden wissen.«
»Oh ja, natürlich. Ich kann mir das auch nicht erklären.«
Ich runzelte die Stirn, ehe ich ihr erklärte, dass Stew dem Anschein nach aus dem Haus entführt worden sei. Ich erzählte ihr von den Einschusslöchern, die gefunden worden waren. Als ich fertig war, nickte sie nur und trank erneut einen großen Schluck aus ihrem Glas.
»Ich bin sicher, ihm wird nichts passieren. Er ist ein mutiger Mann. Ich habe die Zeit mit ihm wirklich genossen und ich hoffe, dass man ihn bald finden wird.«
Als das Telefon klingelte, unterbrachen wir unsere Unterhaltung und ich ging in die Küche, um das Gespräch anzunehmen. Es war Jadon, der sich aus Frankreich meldete. Ich erzählte ihm kurz von meinen Freunden und von Lisa, die gerade hier sei. Als ich wieder nach draußen ging, stand Lisa vor dem hübschen Blumenbeet.
»Wie geht es dir denn eigentlich? Muss ja alles ziemlich schlimm für dich in den letzten Monaten gewesen sein.«
»Na ja, es war eine sehr harte Zeit, aber ich komme schon klar.«
»Ja, da bin ich mir sicher. Vielleicht können wir uns öfter treffen. Das fände ich sehr schön. Was meinst du?«
»Ähm, ja, sicher. Das können wir gerne machen.«
»Sehr schön. Ich rufe dich nächste Woche mal an und dann treffen wir uns. Vielleicht gibt es dann ja schon Neues zu berichten. Ich muss jetzt wieder los. Hat mich wirklich sehr gefreut, Enya.«
Ich war etwas verwirrt und gab ihr kurz die Hand zum Abschied. Sie ging allein zurück zum Auto und ich hörte sie wegfahren. Ich fand sie merkwürdig und ihre Reaktionen, bei dem, was ich ihr erzählte, waren nicht unbedingt das, was ich erwartet hatte. Aber vielleicht war es auch nur ihre Art, damit umzugehen. Möglicherweise hatte sie vorher schon geweint oder sie trauerte jetzt in ihrem Auto. Aber dieses mahnende Gefühl, was ich ihr gegenüber hatte, ließ mich nicht los.
Ich ging zurück ins Haus und machte mir etwas zu essen.
Am nächsten Tag machte ich mich gleich auf den Weg zu Patrick. Seine Mutter empfing mich und schien dankbar für mein Auftauchen zu sein.
»Wir kommen nicht an ihn heran. Es ist aber auch wirklich schlimm. Wir verstehen es ja selbst nicht. Vielleicht kannst du ihm helfen. Er ist oben.«
Ich klopfte an seine Tür und öffnete sie, ohne eine Antwort abzuwarten. Ich fand ihn stehend vor seinem Fenster.
»Patrick?« Ich schloss die Tür hinter mir und trat neben ihn. Eine Weile sagten wir nichts. Patrick sah anders aus als sonst. Seine kurzen schwarzen Haare schienen schwer auf seinem Kopf zu liegen und sein Gesicht war blass, während seine Augen von vielen Tränen erzählten. Ich hatte ihn noch nie ohne gestylte Haare gesehen. Das war ihm immer wichtig, das alles perfekt aussah.
»Wie bist du damit klargekommen, als Alice gestorben ist?«
»Eigentlich gar nicht.« Mit dieser Antwort schien er nicht gerechnet zu haben. Er schaute mich an, ehe er sich auf
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