Engelsauge - Die Jagd beginnt (German Edition)
besser zu verstehen, als es die anderen Engel taten.
»Ich mache mich jetzt auf den Weg, Enya. Wir sehen uns einen Tag nach der Beerdigung wieder. Pünktlich um sieben Uhr vor deiner Haustür. Bis dahin bleibe stark und keine Sorge, ich bin stets in der Nähe.«
»In Ordnung.«
Er spannte seine Flügel auf und erhob sich bereits leicht.
»Enya. Wenn du vorher meine Hilfe brauchen solltest, so rufe mich. Ich werde dich hören und sofort zu dir eilen.«
Mit diesen Worten flog er davon und um mich herum wurde es still. Ich hörte lediglich ein paar Vögel zwitschern und der leichte Frühlingswind ließ einige Blätter in den Bäumen tanzen.
Mein Auto stand noch vor dem Haus und ich ging noch einmal schnell zurück, um meinen Rucksack zu holen. Danach schloss ich die Tür hinter mir zu und machte mich mit meinem Pick-up auf den Weg nach Hause.
Die örtliche Polizei hatte das Haus wieder freigegeben. Offiziell galt Stewart Jonsens als vermisst und man fahndete nach ihm. Ich hatte seinen Kollegen alle Fragen beantwortet, wobei dies nicht viele waren und ich ihnen das tatsächlich Geschehene sowieso hatte verschweigen müssen.
Jetzt fiel mir auch wieder diese Lisa ein und ich nahm mir vor, sie anzurufen, ehe ich mich auf den Weg zu Claire und Patrick machte. Möglicherweise hatte sie noch andere Informationen oder ich würde etwas aus ihren Worten heraushören können. Ein Versuch war es zumindest wert.
Die Dusche war tatsächlich eine Wohltat gewesen und frische Kleidung machte es perfekt. Ich fühlte mich wieder ein Stückchen lebendiger, als noch zuvor. Im Wohnzimmer hatte ich noch schnell alles aufgeräumt, sodass man auf den ersten Blick nicht bemerkte, was hier passiert war. Die angeknackste Scheibe hatte ich notdürftig zugeklebt, aber es erfüllte seinen Zweck. Im Adressbuch fand ich nach kurzem Suchen auch eine Lisa Strix. Da es die Einzige mit diesem Vornamen war, musste es die Richtige sein und ich wählte ihre Nummer. Leider sprang nur ihr Anrufbeantworter an, aber ich rang mich durch, ihr schnell darauf zu sprechen. Ich erklärte ihr kurz, wer ich sei und dass Stewart als vermisst galt. Sie solle sich einfach wieder bei mir melden. Ich wollte nicht, dass sie schlecht über ihn dachte. Sie sollte wissen, was er für sie empfunden hat! Vielleicht hatte sie es auch schon mitbekommen und wusste, dass er als vermisst galt, aber sicher war ich mir nicht, denn ich hatte der Polizei nichts von ihr erzählt gehabt. Einfach, weil ich nicht daran gedacht hatte. Und ich hatte auch keine Ahnung, ob einer der Kollegen über diese Informationen verfügte.
Und jetzt musste ich einen meiner schwersten Schritte antreten. Also setzte ich mich wieder ins Auto und fuhr zur Uni.
Ich fand Claire und Patrick im Hauptflur der Universität. Sie lachten und küssten sich. Also hatten sie keine Ahnung, was gleich auf sie zukam.
»Hey, Enya. Doch noch hier?« Claire umarmte mich und sie strahlte über beide Augen.
»Sag jetzt bitte, dass du hier bleibst.« Patrick umarmte mich ebenfalls und zwinkerte mir zu. Mir war es kaum möglich, zurückzulächeln. Mein Herz schien immer schwerer zu werden.
»Ja, ich bleibe. Wir haben unser Vorhaben etwas verschoben. Aber kommt doch bitte eben mit. Ich muss was mit euch besprechen.«
Sie schauten sich verwundert an, kamen ohne ein weiteres Wort zu sagen mit mir nach draußen und wir setzten uns auf eine Bank etwas abseits des Trubels.
Ich setzte mich etwas seitwärts, sodass ich sie anschauen konnte. Mein Atem schien mit jedem Zug schwerer zu werden und ich überlegte, wie ich so etwas Schreckliches am besten anfing zu erzählen.
»Okay, du machst mir langsam Angst. Was ist los?« Claire rutschte etwas hin und her und Patrick nahm ihre Hand.
»Also, es geht um Ruben. Ich muss euch da etwas sagen ...«, begann ich, doch ehe ich weiterreden konnte, unterbrach mich Patrick.
»Ach, auf den Halunken warten wir auch schon. Wahrscheinlich steht er gerade noch für einen Apfel an. Er will einfach nicht kapieren, dass das total unsinnig ist.« Ich schüttelte den Kopf.
»Nein, das ist es nicht, Patrick. Ruben, also, er ist ... er ist tot.« Meine Augen wurden feucht, als ich es ausgesprochen hatte und ich versuchte mich anzustrengen, nicht wieder loszuheulen.
»Was redest du da?« Patrick stand etwas erbost auf und seine Augen glühten mich an. Er wollte es nicht verstehen, nicht wahrhaben. Das sah man ihm an. Doch ich blieb einfach sitzen und schaute ihn an, denn ich wusste nur zu gut,
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