Engelsblut
Stabilisator. Unglaublich.«
Margot musste zustimmen – das Foto hätten die Kollegen vom Mobilen Einsatzkommando auch nicht besser hinbekommen.
»Weint Susanne Warka?«
»Ja. Sie hat immer wieder ein paar Tränen vergossen. Auch der Mann schien nicht gerade bester Laune zu sein. Er konnte ja nicht rumbrüllen, aber es war zu sehen, dass er ziemlich wütend war. Auch sie war wütend. Es sah nicht so aus, als ob sie einfach nur traurig war. Ob er auf sie sauer war, das weiß ich nicht. Und dann hat er ihr Geld gegeben.«
»Geld?«
»Schauen Sie auf das dritte Foto.«
Margot legte das obere Bild zur Seite. Auf dem nächsten Bild übergab Schaller Susanne Warka ein Geldbündel. Es war nicht zu erkennen, um welche Summe es sich handelte.
»Ich tippe auf 2000.« Little Marlowe schien Margots Frage erraten zu haben. »Das Obere ist ein Zwanziger, ist auf einem der anderen Fotos noch besser zu erkennen. Ich habe das ausgemessen, also die Länge des Scheins im Verhältnis zur Höhe. Ist natürlich nur eine Schätzung. Aber wenn die Scheine alles Zwanziger sind, dann ist der Stapel mehr als 1500 und weniger als 2500 wert.«
Na, ganz so schlecht schien der Junge in seinem Job doch nicht zu sein.
»Okay. Und wo haben Sie das aufgenommen?«
»Die sind vom Böllenfalltor aus nicht weit gefahren, keinen Kilometer, auf den Parkplatz an der Bogenschneise. Von dort sind sie dann hoch zum Bismarckturm.«
Margot war auch schon ein paarmal zu dem Turm gegangen. Sie mochte die basaltverkleidete Betonkonstruktion. Studenten hatten den Turm Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zu Ehren des Namensgebers errichten lassen. Heute waren darin irgendwelche fernmeldetechnischen Gimmicks untergebracht.
»Und dort oben hat Schaller ihr das Geld gegeben?«
»Ja. Genau.«
»Und dann?«
»Schauen Sie auf das letzte Bild.«
Margot schob den vorletzten Ausdruck zur Seite und widmete sich dem verbliebenen Foto.
Susanne Warka und Frederik Schaller umarmten sich, er küsste sie. Auf die Wange, auf den Mund? Es war nicht genau auszumachen.
»Das war wohl der Abschied. Dann sind sie getrennt gegangen. Der Mann wieder nach unten, in Richtung seines Autos. Ich bin ihr gefolgt. Sie ging wieder zur Straßenbahnhaltestelle. Setzte sich in die 9 Richtung Stadt. Dann bin auch ich zurück zu meinem Wagen.«
»Wie war Ihr Eindruck? Wie war ihr Verhältnis zueinander?«
»Das hat mich Zumbill auch gefragt. Es ist nicht mein Job, solche Auskünfte zu geben. Aber er hat keine Ruhe gelassen. Also habe ich es ihm gesagt.«
»Okay, und was haben Sie ihm gesagt?« Margot war sehr froh, dass dieser Gallberg auf der Bildfläche erschienen war, denn jetzt hatten sie endlich einen Beweis für ihre Vermutung, dass Schaller Susanne Warka nicht nur als Patientin kannte. Nur war der Zeuge ein wenig anstrengend.
»Sie waren beide wütend, aber ich glaube nicht, dass sie aufeinander sauer waren. Sie wirkten nicht wie ein Paar, das einen Beziehungsstreit hat. Ich denke eher, sie waren auf jemand anderen wütend. Besonders Susanne Warka wirkte empört und auch ein wenig verzweifelt. Und oben auf dem Berg, als der Mann ihr das Geld gab – okay, das wirkte, als würden sie sich schon länger kennen. Und auch, als ob sie sich gernhätten. Zumindest der Typ hatte sie gern. Ja, ich glaube, er hatte sie sehr gern. Aber ein Paar? Ich glaube es nicht. Natürlich kann ich das nicht sicher sagen.«
»Wann haben Sie Herrn Zumbill die Bilder gegeben?«
»Das war am Sonntag. Ich habe ihn Samstag angerufen. Und er hat gesagt, er wolle sich Sonntagmittag mit mir treffen. Burger King in der Kasinostraße. War mir recht. Die haben da ja den X-tra long Chili Cheese. Den liebe ich. Dann habe ich ihm genau das erzählt, was ich Ihnen jetzt auch erzählt habe. Und Zumbill, der wurde zum Tier. Ich meine, der hat jetzt nicht losgebrüllt oder den Laden auseinandergenommen. Aber der hat gekocht. Ich habe ihm auch gesagt, dass ich nicht glaube, dass seine Freundin ihn mit dem Typen betrügt, aber ich hatte das Gefühl, das ging zum einen Ohr rein und zum anderen sofort wieder raus. Der war echt geladen. Deshalb bin ich ja jetzt auch zu Ihnen gekommen. Vielleicht hat er ja seine Freundin …?«
»Nein. Er war der Lokführer, der … « Margot hielt inne. Sie hätte die Bemerkung des Studenten einfach ignorieren sollen.
»Der Lokführer, der seine eigene Freundin überfahren hat? Krass!«
Ja. Krass. Der Lokführer, der neben Schaller auch ein Motiv hatte. Aber Schaller war eben nicht
Weitere Kostenlose Bücher