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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kibler
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sieht, dass es kein gemeinsames ist.«
    Horndeich sah, wie Margot tief Luft holte, doch bevor sie etwas sagen konnte, sprach Frau Zumbill weiter: »Ich hab nichts gegen die Kleine, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich liebe die kleine Maus, wahrscheinlich mehr, als es ihre Mutter je getan hat. Aber die Hautfarbe macht es nicht einfacher. Auch wenn es nicht so sein sollte – es ist so, egal, wie alle es schönreden. Dadurch, dass man etwas leugnet, verschwindet es nicht.«
    Darauf entgegnete Margot nichts.
    »Was wird aus der Kleinen?«, fragte Frau Zumbill. »Rufen Sie jetzt das Jugendamt? Nehmen Sie sie mir weg? Ich könnte mich weiter um sie kümmern. Ich meine, ich bin seit fast eineinhalb Jahren ihre Bezugsperson.«
    Die Tür zur Küche flog auf. Eine sichtlich verwirrte Sophie kam herein, stürmte auf Frau Zumbill zu. »Reinhard ist komisch. Er weint. Was ist los? Wo ist meine Mama?«
    Margot sah Frau Zumbill an. »Ich spreche mit dem Staatsanwalt. Vielleicht kann sie wirklich erst mal bei Ihnen bleiben.«
    »Wo ist meine Mama?«
    Sophie sah jetzt zu Margot und dann zu ihrer Oma auf.
    »Die Polizisten sollen jetzt gehen, Oma«, sagte Sophie.
    »Ich werde es ihr erklären«, sagte Frau Zumbill.
    Margot nickte Horndeich zu. Das Zeichen zum Aufbruch. Abflug. Und Horndeich war froh, dass er nicht dabei sein musste, wenn Frau Zumbill der kleinen Sophie beibrachte, dass ihre Mutter nie wieder nach Hause kommen würde.
    Einer dieser Abende.
    Margot saß allein auf ihrer Couch. Vor ihr stand ein Glas Rioja mit feiner Barriquenote. Aus den Lautsprechern drang leise die Musik von Dolly Parton. Sie hatte eine CD mit von Dolly gecoverten Songs aufgelegt.
    Während Dolly sang »Those were the days, my friend«, merkte sie wieder, wie sehr ihr ihr Mann fehlte. Rainer war nun bereits seit über einem halben Jahr in den Staaten. Seit bei einem ihrer Fälle vor einem Dreivierteljahr ein mittelalterliches Pergament mit dem Grundriss des Kölner Doms gefunden worden war, war er quasi übergesiedelt. Der Plan hatte den Kunsthistoriker von Anfang an fasziniert. Sie hatten ihn im anderen Darmstadt entdeckt, einem kleinen gleichnamigen Ort in Indiana, USA. Und Rainer hatte damit offensichtlich die Aufgabe seines Lebens gefunden. Nun war er der wissenschaftliche Leiter einer kleinen elitären Akademikerrunde, die den Plan Quadratmillimeter für Quadratmillimeter untersuchte. Die Uni Köln kooperierte dabei mit der Uni in Evansville, einer Großstadt unweit von Darmstadt in den USA. Margot konnte nicht nachvollziehen, dass so ein bisschen Vergangenheit so viele Menschen so lange beschäftigen konnte. Rainer hingegen hatte einen neuen Akustikschalter in seinem Körper. Man musste nur das Zauberwort »Plan« sagen, und schon leuchteten seine Augen. Im letzten Sommer hatte sie ihren Jahresurlaub genommen. War extra in die USA geflogen, um den ganzen Juli über mit ihrem Mann eine Reise durchs Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu machen.
    Es war eine Katastrophe. Nein, keine Katastrophe, sagte das leise Stimmchen, das die Angewohnheit hatte, mit jedem Schluck Wein lauter zu werden. Doch, eine Katastrophe. Und du hast mit deinem Mann nach dem Urlaub kaum mehr ein Wort gewechselt, meldete sich das zweite leise Stimmchen, das sich jetzt offensichtlich auf ein Rededuell mit dem ersten einlassen wollte.
    Aber Margot wollte nicht. Sie wollte nicht an Rainer denken, an diesen vermaledeiten Urlaub.
    Rainer würde ja zu Besuch kommen. Am Sonntag. Also in sieben Tagen.
    Aber, verdammt noch mal, er fehlte ihr. Jetzt.
    Die kleine Tochter der Selbstmörderin kam ihr in den Sinn. Wie konnte eine Mutter es fertigbringen, sich vor den Zug zu werfen und ihr Kind allein zurückzulassen?
    Allein. Das war das Stichwort. Auch sie saß hier gerade gänzlich allein auf ihrer Couch.
    Nicht einmal Rainers Tochter Dorothee war mehr hier. Vor gut fünf Monaten war sie siebzehn geworden. Margot hatte am Tag zuvor Kuchen gebacken. Hatte in der Nacht noch einen Geburtstagstisch gerichtet. Samt iPad, nachdem der Geburtstag vor zwei Jahren Doro einen iPod beschert hatte und der vorige einen iMac. Das nennt man Markentreue, dachte Margot, die ihrerseits der ganzen Ei-Familie nichts abgewinnen konnte. Doros Vater hatte die Dollars dazu angewiesen, gekauft hatte Margot den flachen Computer. Doro hatte sich bedankt – und die Geburtstagsfeier war äußerst kurz ausgefallen. So lange man halt braucht, um ein Stück Kuchen herunterzuschlingen. Wenige Tage später war Doro

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