Engelsblut
noch einmal genau, wann Sie Ihre Frau zuletzt gesehen haben.«
Er sah auf, wischte die Tränen mit dem Ärmel ab. Schniefte.
»Am Nachmittag. Es war gegen fünf. Wir haben uns in der Küche unterhalten. Nein, wir haben gestritten. Dann rauschte sie ab, aber das habe ich Ihnen ja gestern schon gesagt. Ich rief meine Mutter an, die kam fünfzehn Minuten später. Dann bin ich zur Arbeit gefahren. Mit dem Rad.«
»Und Ihre Verlobte? Ist sie mit dem Auto gefahren?«
»Wir haben beide kein Auto. Sie hat auch ein Fahrrad. Mit Kindersitz auf dem Gepäckträger. Aber das Rad ist da. Sie muss also zu Fuß gegangen sein. Oder jemand hat sie abgeholt. Ich weiß es nicht.«
»Wann hat Ihr Dienst angefangen?«
»Um 17.48 Uhr. Ich habe am Ostbahnhof den Zug nach Erbach übernommen. Habe Peter Bühler abgelöst. Fritz Picht war krank, seit Freitag. Er sollte eigentlich am Wochenende fahren. War alles nicht einfach, weil der reguläre Bereitschaftsmann, Martin Prigge, am Freitag die Treppe runtergefallen ist. War ein ganz schönes Rumgeeier, die Züge pünktlich fahren zu lassen.«
»Und Sie waren den ganzen Abend unterwegs?«
Trotz des Alkoholpegels maß Zumbill Margot nun mit einem Blick, den Bauknecht sofort für seine Gefrierschränke eingekauft hätte. »Was wollen Sie andeuten? Ich habe das Leben sozusagen in leeren Zügen genossen. Bis zu dem Moment, in dem meine Verlobte auf den Gleisen lag.« Er machte eine kurze Pause. »Dann hat sie wohl jemand dort auf die Gleise gelegt, weil er wusste, dass ich da langfahren würde. Das ist ja pervers.«
Dieser Gedanke war Margot auch schon gekommen. »Dann meinen Sie, dass es kein Zufall war, dass Ihre Freundin genau vor Ihren Zug gelegt wurde? Haben Sie Feinde, Herr Zumbill. Oder hatte Susanne Feinde?«
Zumbill schaute mit glasigem Blick ins Nichts. »Nein. Ich meine, wir hatten nur wenige Freunde. Ein paar Bekannte. Ich habe ein paar Kumpels, und Susanne hat sich immer mal wieder mit dieser Sonja getroffen. Aber Feinde? Leute, die Susanne hassten? Oder mich? Nein. Wieso auch. Ich versteh das nicht. Wie wurde sie denn nun getötet, wenn ich es nicht mit dem Zug war?«
Margot wunderte sich, dass er das jetzt erst fragte. Sehr oft stammen Mörder ja aus der Familie oder dem unmittelbaren Umfeld des Getöteten. Aber Zumbill hatte das beste Alibi überhaupt.
»Sie wurde erstochen«, sagte Horndeich, gab aber keine weiteren Details preis.
Zumbill schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das nicht. Ich meine, ich hab auch nicht verstanden, warum sie sich selbst umgebracht haben sollte. Aber dass jemand sie ermordet hat? Furchtbar.«
»Das Kind – es war Ihr Kind?«
Zumbill schaute Margot an. Wieder mit dem Gefrierschrankblick. »Was wollen Sie damit andeuten?«
Margot blickte ganz neutral zurück: »Gar nichts. Ich frage nur.«
»Natürlich war das Kind von mir. Das war ja letztlich der Grund, weshalb wir heiraten wollten. Das Kleine sollte in geordneten Verhältnissen aufwachsen.«
»Wussten Sie etwas von einem Freund, den sie möglicherweise hatte?«
»Von was für einem Freund? Sie war mir treu.«
»Es gab einen Mann, der ihr in der Post immer Rosen geschenkt hat. Hat sie je von ihm erzählt?«
»Nein. Hat sie nicht.«
»Und woher wollen Sie dann wissen, dass sie Ihnen treu war?«
»Frau Hesgart, wir hatten eine gute Beziehung. Ja, wir haben uns gestritten, wie das alle Paare irgendwann tun, aber wir haben uns geliebt und wollten heiraten. Ich war manchmal eifersüchtig, ja, aber Susanne bekam ein Kind von mir. Sie hatte alles, was sie brauchte: einen Mann, einen Daddy und eine Oma für ihre Kleine, und bald wäre noch ein Kind von mir, ihrem zukünftigen Ehemann, dazugekommen. Nein, sie hatte keinen anderen.«
Gestritten, wie das alle Paare mal tun. Margot ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie sich gern mal wieder mit ihrem Rainer gestritten hätte. Aber der weilte ja in Amiland. Und von da kam nun auch noch Nick. Mit dem sie noch nie gestritten hatte. Das Leben war kompliziert. Und du konzentrierst dich jetzt besser auf deinen Fall , unkte die Kontrolletti-Stimme in ihrem Inneren. »Wir möchten jetzt bitte noch mit Ihrer Mutter sprechen.«
»Wieso denn das?«
»Herr Zumbill, wir müssen den Mord an Ihrer Freundin – an Ihrer Verlobten aufklären. Das sollte doch auch in Ihrem Sinne sein.«
Zumbill antwortete nicht. Er stand auf. »Kommen Sie
mit.«
Er führte Margot und Horndeich in die Küche.
»Mama, die beiden Polizisten wollen noch mit dir
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