Engelsblut
Sie wissen? Dann kann ich immer noch entscheiden, ob ich antworten werde.«
»Können Sie hier auf Ihre Patientendaten zugreifen?«
Schaller antwortete nicht, sondern klickte mit der Maus und schaute auf den Bildschirm – offensichtlich waren die Akten elektronisch abgelegt.
»Frau Warka war schwanger«, sagte Margot. »Gab es in diesem Zusammenhang irgendwelche Besonderheiten? Komplikationen?«
Schallers Blick huschte über den Bildschirm. »Ja, Susanne Warka war schwanger. Vierter Monat. Aber es gab keinerlei Komplikationen. Keine Krankheiten. Am Freitag war sie noch bei mir, und ich habe sie untersucht.«
»Gab es außerhalb der Schwangerschaft irgendwelche gesundheitlichen Probleme.«
Schaller sah auf. Schien nachzudenken. Dann meinte er: »Nein. Susanne Warka war gesund.«
»Und warum haben Sie sie am Samstag angerufen?«
»Habe ich?«
»Ja, haben Sie.«
»Dann muss das vormittags gewesen sein. Ich habe den Vormittag genutzt, um zu arbeiten. Es bleibt ja doch immer was liegen. Eine meiner Arzthelferinnen ist krank. Und Gundula kann nicht für zwei arbeiten.«
»Das beantwortet meine Frage nicht.«
Schaller sah wieder auf den Bildschirm. »Ich habe sie angerufen, weil ich ihr mitteilen wollte, dass auch die Blutwerte okay sind. Das hätte ich bereits Freitagabend machen sollen, habe es aber vergessen.«
»Und dafür rufen Sie von Ihrem Handy aus auf Susanne Warkas Handy an?«
Schaller seufzte. »Ja.«
»Warum?«
»Warum was?«
»Warum Sie von Ihrem Handy auf Susannes Handy angerufen haben.«
»Ich habe in der Akte ihre Handynummer als erste Nummer eingetragen – ich frage meine Patientinnen immer, welche Telefonnummer wir als primäre Kontaktnummer speichern sollen. Also habe ich diese Nummer angerufen.«
»Und warum von Ihrem Handy aus?«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen. Wahrscheinlich, weil es einfacher war, da ich so nicht die ganze Nummer mit der Hand eingeben musste.«
»Haben Sie alle Patientennummern in Ihrem Handy gespeichert?«
»Nein. Natürlich nicht alle.«
»Und Sie sind vierundzwanzig Stunden am Tag zu erreichen?« Horndeich ließ nicht locker.
»Hören Sie, was soll das jetzt? Sie wollen mit mir doch nicht ernsthaft diskutieren, welche Nummer ich auf meinem Handy gespeichert habe und welche nicht? Ich glaube nicht, dass ich Ihnen darüber Rechenschaft schuldig bin. Susanne Warka war meine Patientin, schon sehr lange, sie war schwanger, und sie war gesund. Alles, was Sie darüber hinaus wissen möchten, werde ich Ihnen nur gegen einen richterlichen Beschluss mitteilen. Sind wir damit durch?«
Er erhob sich. Auch Margot und Horndeich standen auf. »Herzlichen Dank für Ihre Zeit und dass Sie uns so unkompliziert geholfen haben«, sagte Margot, während sie Schallers Hand schüttelte.
Horndeich gab Schaller auch die Hand, nickte aber nur.
Als sie auf ihren Wagen zugingen, sagte Horndeich: »Das stinkt doch.«
»Was stinkt?«
»Also bitte, hat dich dein Gynäkologe schon mal samstags angerufen, um dir Blutwerte mitzuteilen?«
Margot wusste selbst, dass das nicht gerade gewöhnlich war.
»Wie oft hat Sandra versucht, ihren Gynäkologen zu erreichen? Und wie oft hat der zurückgerufen? Handynummer? Vergiss es. Der Schaller, der kannte die Warka nicht nur als Arzt.«
»Mag sein, Kollege. Aber das hilft uns im Moment nicht weiter.«
»Klar. Wir müssen nur ein Auge auf ihn haben. Also, meine erste Theorie: Susanne Warka hatte was mit Schaller. Vielleicht ist sogar das Kind von ihm. Er ruft sie Samstag an. Will sich am Sonntag mit ihr treffen. Sagt, es ist wichtig. Sie treffen sich Sonntagabend. Er will mit ihr Schluss machen. Das will sie nicht und sagt ihm, dass es sein Kind ist. Da sticht er zu. Und entsorgt sie auf den Schienen, um den Mord zu vertuschen. Wäre ja auch fast geglückt.«
Margot musste schmunzeln: »Du solltest dein Glück als Drehbuchautor versuchen. Schaut ihr eigentlich nur Krimis im Fernsehen?«
»Aber es ist doch eine brauchbare Theorie, oder?«
»Wohl keine verwendbare Arbeitshypothese.«
»Du meinst, eher eine Kaffeesatz-Idee.«
»So in etwa.« Margot war erleichtert. Sie hatte schon lange nicht mehr mit ihrem Kollegen rumgeblödelt.
Zoschke erwartete sie bereits, als sie ins Büro kamen. »Endlich. Ich habe eine gute und eine schlechte Neuigkeit für euch!«
»Also?«
»Na, welche zuerst?«
Horndeich mochte solche Ratespiele wie Fußpilz. »Egal.«
»Na, ihr müsst doch wohl wissen, was ihr zuerst hören möchtet.«
»Nein. Sag es uns
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