Engelsblut
Bruders und seiner Frau handelt.«
Aaner antwortete darauf nichts.
»Beantworten Sie mir bitte noch eine Frage …« Horndeich wurde jetzt sehr ernst. »Waren Sie kurz vor der Ermordung Ihres Bruders und Ihrer Schwägerin bei ihnen zu Hause.«
»Nein.«
»Nun, wir haben an der Haustürklingel Ihre Fingerabdrücke gefunden. Der Mörder hat die Klingel nicht benutzt. Und auch auf dem Tisch im Wohnzimmer waren Ihre Fingerabdrücke.«
Aaner schwieg lange. Dann atmete er tief durch.
»Ja, ich war dort. In der Woche, bevor die beiden wegfahren wollten. Daher stammen sicher die Abdrücke auf dem Tisch. Ich wollte mit meinem Bruder noch einmal darüber reden, ob wir für die Bibel nicht doch eine einvernehmliche Lösung finden könnten. Mein Freund Heinz war der Meinung, ich solle es noch mal versuchen. Ich tat es mehr für Heinz als für mich.
Wissen Sie, mein Bruder hatte drei charakteristische Eigenschaften. Erstens war er im Grunde ein ruhiger und ausgeglichener Mensch. Meistens. Wenn nicht die zweite Eigenschaft zutage trat, seine extreme Zielstrebigkeit. Wenn ich etwas will, bekomme ich es auch, so lautete seine Devise. Und das war oft verbunden mit seiner dritten Charaktereigenschaft: blindem Jähzorn.
Ich weiß nicht, ob Sie Geschwister haben, Herr Horndeich. Aber einen Bruder wie Paul – das wünsche ich keinem. Ich hatte keine einfache Kindheit. An diesem Jähzorn und dem Glauben, dass er alles bekommen kann, was er will, ist auch seine erste Ehe kaputtgegangen.«
»Moment – Ihr Bruder war schon einmal verheiratet?«
»Ja. Mit Manuela. Bis vor zehn Jahren. Sie hat es knapp zehn Jahre mit ihm ausgehalten. Jetzt ist sie seit vier Jahren wieder verheiratet und lebt mit ihrem neuen Mann in Australien. Er wollte unbedingt Kinder. Das hat leider nicht geklappt. Und fragen Sie nicht, was mein Bruder alles in die Wege geleitet hat. Nach dem vierten Versuch einer künstlichen Befruchtung hat Manuela einen weiteren verweigert. Sie war bereit, ein Kind oder auch mehrere Kinder zu adoptieren. Aber Paul, er wollte den Stammhalter aus seinem eigenen Fleisch und Blut. Na ja, damit war dann die Ehe am Ende.«
Horndeich hatte sich Notizen gemacht. »Haben Sie die Adresse von dieser Manuela?«
»Ja. Aber, wie gesagt, sie wohnt in Australien.«
»Ihr Versuch, sich wegen der Bibel doch noch mit Ihrem Bruder zu einigen, ist also gescheitert. Und nach diesem Besuch waren Sie nicht mehr bei Ihrem Bruder? Wie erklären Sie sich, dass die Klingel über so lange Zeit nicht mehr benutzt wurde?«
»Ich war danach noch einmal dort. Am 8., dem Sonntag. Nachmittags. Aber da war er dann wohl schon tot. Ich wollte ihm persönlich sagen, dass er mit der Bibel machen kann, was er will. Dass ich aber für den Rest meines Lebens keinen Kontakt mehr mit ihm wünsche. Mein Gott. Das wollte ich ihm wirklich so sagen. Man muss, glaube ich, doch sehr vorsichtig sein mit seinen Wünschen. Dass mein Wunsch so definitiv in Erfüllung ging – das macht mir sehr zu schaffen.«
Auf dem Weg von Aschaffenburg nach Hause beschloss Horndeich, noch ein paar Leckereien einzukaufen. Er fuhr mit dem Wagen in die Tiefgarage unter dem Luisenplatz, von der aus er bequem den Karstadt erreichen konnte. Er schätzte die dortige Feinkostabteilung. Nicht nur, dass es dort Wildgulasch mit Spätzle gab. In den Jahren bevor er mit Sandra zusammengezogen war, hatte er dort immer wieder Fertiggerichte eingekauft. Seine Leibgerichte, gern für drei Euro mehr, die dann wirklich besonders gut schmeckten, ohne dass er Gefahr lief, das Gericht beim Zubereiten zu ruinieren.
Er gönnte sich ein paar Minuten des Stöberns, griff zu ein paar Gewürzen, über die sich Sandra sicher freuen würde: geräuchertes Paprika und Harissa, eine scharfe Chilimischung.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte da eine freundliche Stimme. Die Dame hatte eine Schürze umgebunden, aber abgesehen davon brachte er sie irgendwie mit einem schwarzen Crossfire in Verbindung. Dann fiel der Groschen. Die Frau mit dem langen Haar war die neue Freundin von Hinrich.
»Nein, danke, ich schaue mich nur ein wenig um.«
»Wenn ich etwas für Sie tun kann, sagen Sie einfach Bescheid.« Die Dame nickte und wandte sich ab.
Und nun wusste Horndeich auch, woher er Hinrichs Neue ursprünglich kannte. Sie hatte ihn früher manchmal beraten, wenn er sich aus der Feinkosttheke Fertiggerichte mitnehmen wollte. Die Verkäuferin hatte immer über die derzeit besten Gerichte gut Bescheid gewusst.
Horndeich ging zur
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