Engelsblut
einfach erzählen zu lassen. Daher kam Margot Greven zuvor. »Was hat sie denn erzählt?«
»Ich erinnere mich nicht mehr so genau. Sie sagte, sie sei verheiratet – ist sie heute auch noch. Sie hatte damals zwei Kinder. Heute hat sie drei. Ich nähte ihr Kleid – und ich merkte, dass ich nur noch eines wollte: mit dieser Frau – na ja, ins Bett. Es war drei Uhr, als das Kleid fertig war. Ich gab es ihr. Und ich versuchte, sie zu küssen. Aber sie wollte nicht. Allerdings stieß sie mich nicht zurück. Sie sagte, sie mag mich. Ich sei ein besonderer Mann. Aber sie sei verheiratet. Und sie würde ihren Mann nicht betrügen. Ich bezog also das Bett im Schlafzimmer mit frischer Bettwäsche. Für sie. Ich hab auf dem Sofa geschlafen.
Am kommenden Morgen hab ich uns Frühstück gemacht. Ich hatte mich Hals über Kopf in diese zierliche und schöne Frau verliebt. Und während des Frühstücks kam sie plötzlich um den Tisch herum. Küsste mich. Und zog mich ins Schlafzimmer. Ich wusste überhaupt nicht mehr, wie mir geschah. Wir haben miteinander geschlafen.«
Pörgsen hielt inne. Sprach nicht weiter.
»Hallo?« Greven, der inzwischen drei Tassen Tee intus hatte, riss ihn aus seiner inneren Betrachtung.
Pörgsen sah Greven an. Sah Margot an. Wurde rot. »Egal, nicht wichtig.«
»Doch wichtig«, sagte Greven. »Was war?«
Margot war hin und her gerissen. Intime Details – sie war nicht sicher, ob sie wirklich so viel Informationen wollte. Und doch wusste sie, dass manchmal in einer Nebenbemerkung die Lösung für einen ganzen Fall stecken konnte.
»Es war unheimlich. Sie fiel regelrecht über mich her. Um danach in Tränen auszubrechen. Ich fragte, was denn los sei. Sie schluchzte und meinte, ich würde nun schlecht von ihr denken. Aber sie sei kein Flittchen. Dann fing sie an zu erzählen. Ihr Mann, er war in der ukrainischen Armee. War Soldat mit Leib und Seele. Und sie war stolz auf ihren Mann. Dann schickten sie ihn in den Irak. Und von dort sei er als Wrack zurückgekommen. Er sprach kaum noch mit ihr. Er sprach kaum noch mit den Kindern. Er fasste sie nicht mehr an. Er trank immer mehr. Nun – ich fuhr sie dann zurück zu den Musikerkolleginnen. Ich fragte sie nach einer E-Mail-Adresse. Aber sie gab mir keine. Auch keine Telefonnummer. Ich hörte nichts mehr von ihr, bis vor vier Monaten.«
»Na, dann kommen wir ja langsam auf den Punkt«, grummelte Greven.
»He, wenn Sie nicht wollen, dass ich Ihnen das erzähle – ich kann auch die Klappe halten.«
»Schon gut, schon gut«, beschwichtigte Margots nordischer Kollege.
Zeit für Margot, die Wogen zu glätten. Sie goss sich demonstrativ ebenfalls noch eine Tasse Tee ein. »Wann hat sie dann genau Kontakt zu Ihnen aufgenommen? Und wie?«
»Es war Ende Juli. Sie hat mich angerufen. Ich war völlig perplex. Es hat ein paar Momente gedauert, bis ich realisierte, wen ich da an der Strippe hatte. Sie wollte wissen, wie es mir gehe. Wir machten ein paar Sätze Small Talk. Dann kam sie zur Sache. Sie fragte mich, ob ich ihr Geld leihen könnte. 1000 Euro. Und ob ich sie einladen könnte. Sie hätte geerbt, in Deutschland. Aber sie hätte kein Geld, um hierherzukommen. Sie würde mir das Geld gleich nach ihrer Ankunft zurückgeben. Klang alles ziemlich dubios.«
»Und Sie haben sich darauf eingelassen?«
»Nicht gleich. Aber sie rief immer wieder an. Weinte, war verzweifelt, sagte, sie wisse nicht, an wen sie sich wenden sollte.«
»Dann hat sie Sie weichgeklopft?«, fragte Greven auf die ihm eigene feinfühlige Art.
»So würde ich das nicht nennen.« Pörsgen machte eine Pause, goss sich selbst Tee nach. »Doch, Sie haben recht, genau das war es. Aber sie hat mir das Geld tatsächlich zurückgegeben.«
»Sie haben ihr also das Geld geschickt. Wie? Hat sie Ihnen ein Konto genannt.«
Pörgsen lachte auf, hustete, dann meinte er: »Eine Überweisung auf ein ukrainisches Konto. Sie haben echt Humor. Das können Sie vergessen. Es gibt nur eine Möglichkeit, schnell größere Beträge dorthin zu bekommen. Das geht nur mit Western Union.«
»Und das funktioniert wie?« Margot hatte von Western Union schon gehört, hatte aber selbst so einen Geldtransferdienst nie benutzt. Sie erinnerte sich auch, in der Post am Luisenplatz ein Werbeschild des Unternehmens gesehen zu haben.
»Ganz einfach, Sie gehen zu einer Annahmestelle von Western Union, gibt’s auch hier bei uns an vielen Orten. Sie zahlen das Geld ein, sagen, wer wo der Empfänger ist, können, wenn
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