Engelsblut
solle.«
Erbtante in Hamburg – das war ähnlich wahrscheinlich wie die Vermutung, dass Nadeschda mit Angela Merkel verwandt war. Wie dem auch sei, Nadeschda Pirownika hatte eine Geschichte zusammengestrickt, mit der sie Pörgsen um den Finger wickeln konnte.
»Ich kenne in Leer den Juwelier Tramer. Also hab ich ihr die Adresse aufgeschrieben. Und ich hab sie gefragt, ob ich sie hinfahren sollte. Aber sie sagte, sie habe einen Wagen. War ein blauer Bentley. Der habe auch der Tante gehört. Die habe bis vor Kurzem in Darmstadt gewohnt, hat Nadeschda gesagt, als ich sie nach dem Kennzeichen des Wagens gefragt hab. Ich hätte viel misstrauischer sein sollen.«
Hättest du, dachte Margot.
»Nun, sie ging zu Tramer, und der sagte, dass sie am Mittwoch wiederkommen soll, dann hätte er den Schmuck geschätzt.«
»Sie meinten, Nadeschda habe Ihnen ihr Geld zurückgegeben. War das, nachdem sie einen Teil des Schmucks verkauft hatte?«
»Nein, die Kohle hat sie mir gleich Montag beim Frühstück zurückgegeben. Zwei Fünfhunderter. Und einen Zweihunderter. Ich war etwas erstaunt darüber, dass es so große Scheine waren. Aber ich habe sie nicht gefragt. Je länger sie da war, umso weniger Fragen hab ich gestellt. Ich meine, ich war verliebt in Nadeschda. Bin es vielleicht immer noch. Aber ich bin nicht blöd. Diese ganze Geschichte von der Erbtante in Hamburg, die gestorben war und kurz vorher noch in Darmstadt gewohnt hatte – war mir schon klar, dass das Bullshit war. Aber ich wollte gar nicht wissen, in was für eine Geschichte sie da reingeraten ist.
Sie erzählte mir wieder von ihrer Familie in der Ukraine. Dass sie jetzt drei Kinder hätten. Dass alles kaum zu schaffen sei. Dass sie ein Riesenglück hatte, dass sie über die Tante an etwas Geld gekommen sei. Dass ihr Mann aus der Armee geflogen sei. Dass es seitdem der Familie ziemlich schlecht gehe, auch finanziell. Dass ihr Mann einen Selbstmordversuch hinter sich habe. Zwei Monate Krankenhaus. Auf einem Auge blind. Wahrscheinlich die billigste Möglichkeit, einen Kopfschuss zu überleben. Und sie fürchtet, dass er es wieder versuchen würde. Und wissen Sie was – sie mag mit ihrer Tante und all dem Drumherum gelogen haben. Aber dass ihre familiäre Situation so beschissen ist, das war nicht gelogen. Glaube ich zumindest nicht.«
»Okay, sie hat den Schmuck schätzen lassen. Was war danach? Sie haben sie ja zu dem Juwelier begleitet.«
»Ja, da war ich dabei. Nach dem Besuch beim Juwelier sind wir noch essen gegangen. Sie wollte dann nach Hamburg. Ich wollte sie noch zu ihrem Wagen bringen, aber sie sagte, dass sie solche Abschiedsszenen nicht mag. Also hat sie sich direkt vor dem Restaurant von mir verabschiedet. Sich tausendmal bedankt. Ich bin in meinen Laden. Und sie ist mit dem Wagen nach Hamburg, um den Schmuck wieder in den Tresor zu legen.«
Margot und Greven schwiegen.
»Ist sie wohl nicht. Ich bin auf jeden Fall in meinen Laden. Und ich habe sie danach nicht mehr gesehen und hab auch nichts mehr von ihr gehört.«
Margot zog die Bilder der Schmuckstücke aus ihrer Tasche. Legte sie vor Pörgsen auf den Tisch. »Ist das der Schmuck, den sie bei sich hatte?«
Pörgsen schaute auf die Schmuckstücke. »Ich kenn mich da nicht aus. Aber das grüne da – das war auf jeden Fall dabei.« Er zeigte auf ein Collier und ein Armband, die mit Smaragden besetzt waren.
»Auch das hier, das rote – ja, das ist mir auch aufgefallen.«
»Das mit den Rubinen?«
Pörgsen zuckte mit den Schultern.
»Sagt Ihnen der Name ›Aaner‹ etwas?«, fragte Margot.
»Aaner? Nee. Hab ich nie gehört. Heißt die Erbtante so?«
»Und Susanne Warka – haben Sie diesen Namen schon mal gehört?«
»Wie heißt die Tante denn nun?«
»Kennen Sie den Namen oder nicht?«
»Nein. Weder Aaner noch Susanne Warka. Sagt mir
nichts.«
Das wäre auch zu schön gewesen, dachte Margot.
»Sitzt Nadeschda im Knast?«
»Herr Pörgsen, haben Sie herzlichen Dank für Ihre Kooperation.«
»Kann ich sie sehen?«
»Wenn Sie uns sagen, wo wir sie finden, dann gern«, sagte Greven.
Dem hatte Margot nichts mehr hinzuzufügen.
»Welche Nummer?«, fragte Horndeich.
»11-17-01«, sagte die Dame am Schalter des Postamts.
»Wunderbar, dann würde ich da jetzt gern einen Blick hineinwerfen.«
Es folgte das übliche Prozedere von »Ich darf nicht«, gefolgt von »Ich kann nicht«, danach »… mein Vorgesetzter«. Von dem kam dann die Forderung nach dem richterlichen Beschluss. War ja
Weitere Kostenlose Bücher