Engelsblut
Spieler. Bach am Morgen, da schmeckte ihm das Frühstücksei gleich noch mal so gut. Nachdem sie gefrühstückt hatten, ging Horndeich zu seinem Handy. Er rechnete damit, dass Margot ihnen mitteilen wollte, dass sie zum geplanten Mittagessen da sein würde. Doch die Nummer, von der aus die SMS verschickt worden war, war in Horndeichs Handy keinem Namen zugeordnet.
Er las die SMS: »Sehr geehrter Kommissar Horndeich. Weiß jetzt, woher ich den Namen Frederik Schaller kenne. Habe Ihnen eine Mail geschickt, Grüße, Friedrichsen.«
Jepp, dachte Horndeich.
»Ich muss kurz an den Computer, Sandra«, sagte er zu seiner Frau.
Die lächelte ihn an: »Blut geleckt?«
Horndeich nickte nur.
Er fuhr seinen Rechner im Arbeitszimmer hoch, steckte den USB-Token, mit dem er sich im internen Computernetzwerk der Polizei identifizieren konnte, in den Port, gab seine Kennung und sein Passwort ein und rief seine E-Mails ab.
Um 6.30 Uhr hatte Klaus Friedrichsen ihm eine E-Mail geschickt. Horndeich las den Text: »Sehr geehrter Herr Horndeich, unser Gespräch hat mir keine Ruhe gelassen. Ich war mir ganz sicher, dass ich den Namen von Frederik Schaller schon einmal gehört habe. Es gibt ein Manuskript, in dem Paul sich mal die Mühe gemacht hat, die Geschichte seines Unternehmens aufzubereiten. Es ist nur ein Entwurf, aber für Sie sicher aufschlussreich. Wichtig sind die Seiten 60 – 65. Ich schicke das Word-Dokument einfach anbei. Mit freundlichen Grüßen, Klaus Friedrichsen.«
Horndeich öffnete das Dokument und scrollte gleich zur angegebenen Seite. Zu sehen waren drei Bilder. Das oberste zeigte eine Werkstatt, groß, licht, aber nicht die modernste. Darunter stand: »1974 – die erste professionelle eigene Werkstatt«.
Das Bild darunter zeigte einen Mercedes-Benz 170 Cabrio in Weinrot auf der neuen Hebebühne, wie die Bildunterschrift erklärte.
Auf dem Bild darunter standen vielleicht zehn Männer in blauen Werkanzügen in zwei Reihen. Sie hatten jeweils die Arme um die Schultern der Nebenmänner gelegt. »Eine feine Crew!«, stand darunter. Und dann die Namen.
Horndeich entdeckte Frederik Schaller in der vorderen Reihe. Er stand in der Mitte und strahlte wie ein Honigkuchenpferd.
Horndeich durchsuchte das Dokument nach »Frederik« und »Schaller«. Es gab nur einen Treffer. Auf Seite 62 konnte Horndeich lesen: »Es gab auch ein paar Werkstudenten, die voller Leidenschaft ans Werk gingen. Gustav Baum studierte Maschinenbau und zeigte, dass er auch praktisch begabt war. Und warum Frederik Schaller Medizin studierte und nicht ganz bei uns einstieg, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Wenn er als Chirurg nur halb so gute Arbeit leistet wie als Mechaniker, wird er viele Leben retten.«
Bingo. Das war es. Jetzt konnte er nachweisen, dass Schaller und Aaner sich kannten. Doch mit diesem Zusammenhang war leider immer noch nicht bewiesen, dass Schaller tatsächlich für Susanne Warkas Leihmutterschaft verantwortlich war. Und selbst wenn Schaller tatsächlich die Leihmutterschaft von Susanne Warka für die Aaners in die Wege geleitet hatte, hieß das ja nicht automatisch, dass er auch an deren Ermordung beteiligt gewesen war. Und was hatte Nadeschda mit der ganzen Geschichte zu tun? Irgendwie passte alles nicht wirklich zusammen. Horndeich fuhr den Rechner herunter. Er würde seiner Frau jetzt erst mal einen kleinen Spaziergang vorschlagen.
Sandra saß auf dem Sofa und hielt die kleine Stefanie im Arm. Sie betrachtete ihre Tochter und bemerkte Horndeich nicht, der im Türrahmen stand. Sie schaute das Mädchen an, strich ihr sanft über das Köpfchen.
Eine Welle der Wärme breitete sich in Horndeich aus. Er sah die beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben in tiefer innerer Ruhe. Sie waren selten, diese Momente, in denen einfach alles stimmte. Richtig war. Nicht besser sein konnte. Dies war ein solcher Moment. Er war angeschossen worden, als Sandra schwanger gewesen war. Und er war dem Tod gerade noch von der Schippe gehüpft. Er erinnerte sich daran, wie er im Krankenhaus gelegen und gedacht hatte, dass er sein Kind wenigstens einmal im Leben sehen wollte, bevor er von dieser Welt gehen würde. Hier war sie, seine Tochter. Und hier war sie, seine Frau.
»Was ist denn?«, fragte Sandra, als sie ihn sah.
Es war ihm nicht bewusst gewesen, dass er still geweint hatte. Er ging zum Sofa und nahm die beiden in den Arm. Er hätte sagen können: »Ich liebe euch«, oder auch: »Ihr seid das Wichtigste auf der Welt für mich«.
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