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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kibler
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Trinkwasser – das ist dort ein echtes Problem. Er kam, so haben es mir zwei Freunde von ihm erzählt, ziemlich verändert zurück.«
    So haben es mir zwei Freunde von ihm erzählt. Margot konnte erahnen, was dieser Satz Sandra an Telefonaten gekostet hatte. Und sie fühlte sich so was von außen vor. Sie hätte all diese Fakten zusammentragen müssen. Nein, Rainer . Aber Rainer war weit weg. Weit, weit weg. Ich wär gern weit, weit weg, irgendwo auf einer Insel, fiel ihr die Textzeile von Mary Roos ein. Passend.
    »Johannes ist seit einem halben Jahr mit Doro zusammen. Und man darf annehmen, dass es etwas Ernstes ist. Der Typ scheint nicht verkehrt zu sein. Seit seinem Trip nach Afrika ist er auf jeden Fall ganz auf Entwicklungshilfe programmiert, um es mal so auszudrücken.«
    »Mein Gott, Doro hat mehrmals versucht, mit mir über Afrika zu reden. Ich hab das nicht ernst genommen. Ich wusste nicht, dass sie wirklich über Afrika spricht.«
    Margot erinnerte sich sehr gut an die Zeit, als sie selbst Kind gewesen war. Als sie ihren Teller nicht hatte leer essen wollen und ihre Mutter sie ermahnt hatte: »Die Kinder in Afrika, die wären froh, wenn sie das essen könnten, was du auf dem Teller hast. Die haben immer Hunger, und du willst das Essen wegwerfen.« Margot hätte das Essen gar nicht weggeworfen. Waldi, der Dackel vom Nachbarn, der hätte es sicher gegessen. Und sie hätte den Griesbrei auch gern in ein Päckchen gepackt und als Adresse »Kinder in Afrika« draufgeschrieben.
    »Ich habe sie nicht ernst genommen«, resümierte Margot. War sie inzwischen so satt, dass sie nicht mehr erkannte, wenn sich jemand wirklich Gedanken über den Hunger in der Dritten Welt machte?
    »Doro ist auf jeden Fall mit Johannes nach Afrika. Ich nehme an, nach Dadaab.«
    »Wie bist du darauf gekommen? Ich meine, dass sie nicht wirklich nach England geflogen sind?«
    Sandra warf wieder Horndeich einen Blick zu. Der hatte noch gar nichts gesagt.
    »Doro hat mich gebeten, Che für zwei Wochen zu uns zu nehmen. Ich hab gleich zugesagt, schließlich bin ich zurzeit fast immer zu Hause. Vorgestern bin ich mal in ihrem Wohnheim gewesen, wollte einfach mal nachsehen, ob mit ihrem Zimmer alles in Ordnung ist. Normalerweise gibt sie mir immer den Schlüssel, wenn sie wegfährt, damit ich mal nach dem Rechten sehe und die Pflanzen gieße. Ist ja nicht weit von hier. Das hat sie diesmal nicht getan, und irgendwie hatte ich ein komisches Gefühl. An der Tür stand ein anderer Name. Als ich geklopft hab, hat mir ein fremdes Mädchen geöffnet, das drinnen offensichtlich gerade mit ihrem Typen zugange war, in Doros Zimmer.«
    Margot begriff nicht. »Sollte die da die Pflanzen gießen?«
    »Doro hat das Zimmer untervermietet, und das nicht nur für zwei Wochen.«
    »Scheiße«, murmelte Margot. »Und du hast sie aufgespürt?«
    »Nein. Ich weiß nur, dass sie mit diesem Johannes im selben Flieger nach Nairobi geflogen ist.«
    »Das heißt, du weißt … wir wissen nicht, wo sie jetzt tatsächlich ist?«
    »Nein. Sie hat ein Visum für Kenia beantragt.«
    »Aber das muss doch ein Erziehungsberechtigter unterschreiben. Doro ist doch erst siebzehn!«
    »Ja. Und Johannes wohnt in einer Studentenverbindung. Da findet sich sicher ein Jurastudent, der ihm einen Notarstempel besorgen kann. Doro brauchte nur die notariell beglaubigte Einverständniserklärung eines Erziehungsberechtigten. Ist nur eine Vermutung, aber irgendwie haben sie das, wie es aussieht, hingekriegt.«
    »Das war von langer Hand geplant«, sagte Margot und stellte damit nur das Offensichtliche fest.
    »Ja. So sieht es aus. Und all das wollte ich dir lieber nicht am Telefon erzählen.«
    Sie saßen schweigend um den Tisch herum. Che spürte offenbar die Spannung im Raum und begann, Margots Hand zu lecken.
    »Weiß Rainer davon?«
    Sandra und Horndeich sahen Margot fragend an. In dem Moment begriff Margot, was sie da gesagt hatte. Sie fragte fremde Menschen, ob ihr Mann wusste, was seine Tochter gerade anstellte. Weil sie, als Ehefrau, keine Ahnung hatte. »Ich gehe jetzt«, sagte sie.
    »Magst du nicht doch noch mit uns essen?«, meldete sich Horndeich das erste Mal zu Wort.
    Margot war jeglicher Appetit vergangen. Sie erhob sich. Che hatte es schon gespürt und war die entscheidende halbe Sekunde zuvor von ihrem Schoß gesprungen.
    »Würdet ihr den Hund noch eine Weile versorgen?« Es war nicht Sandras Job. Es war auch nicht ihr Job. Es war – verdammt noch mal – wenn schon

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