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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Handballen gruben.
    Endlich setzte er sich in Bewegung, einen Fuß vor den anderen, und entfernte sich von ihrer Tür. Er gewann die Kontrolle zurück. Als er die Aufzugskabine betrat, hatte er sich wieder vollständig in der Gewalt.
    Der Concierge-Stuhl stand immer noch leer. Kain erwiderte das Lächeln des jungen Mannes auf der anderen Seite der Glastür. Er trat ins Freie und brachte ein paar weitere Meter hinter sich, bevor er die blutigen Handflächen an seiner Hose abwischte.

12
    „D u hast es getan“, stellte Felipe fest. Er ließ sich zurück in seinen Stuhl hinter dem Empfangstresen fallen.
    Eve blickte an sich hinunter. „Was?“
    „Du hast deine Fußnägel lackiert.“ Er warf einen Blick hinter sich auf die Uhr. „Dein Date ist übrigens zu spät.“
    „Zum Glück habe ich den Nagellackentferner gleich mit gekauft.“ Sie krümmte ihre Zehen in den neuen Schuhen. „Er wollte vor fünf Minuten hier sein.“
    „Vielleicht hat er kalte Füße bekommen?“
    Hoffentlich nicht. Es fiel ihr allmählich schwer, das Lächeln auf dem Gesicht zu behalten. Er musste doch nur einen Block weit gehen. Das Argument, dass er im Stau steckte, galt nicht.
    „Ich laufe ihm ein Stück entgegen.“ Sie machte einen Schritt vom Tresen zurück. „Wünsch mir Glück, okay?“
    „Du siehst toll aus, Baby.“
    Felipe formte seine Lippen zu einem Kuss. Eve versuchte, das flaue Gefühl in ihrem Magen zu ignorieren. Es war die Aufregung, nichts weiter. Sie drückte die Glastür auf und trat hinaus ins Freie.

    Kain beobachtete Eve Hess von der gegenüberliegenden Straßenseite. Nachdem das Licht in ihrem Apartment erloschen war, hatte er seinen Lauschposten im Figueroa Hotel verlassen.
    Er verspürte Befriedigung, weil er richtig kalkuliert hatte. Die Frau lief die Straße hinunter. Ihm gefiel, wie schlank und drahtig sie war. Sie trug ihr Haar in kurzen karamellfarbenen Locken, das dazu einlud, sein Gesicht hineinzupressen.
    Zeitgleich mit ihr überquerte er die Figueroa Street auf der anderen Seite der Kreuzung. Als sie in die Schatten vor dem Hotel Figueroa eintauchte, war er dicht hinter ihr. Plötzlich spürte er eine Aura, wie einen scharfen Geruch, der jäh die Luft durchdringt. Die Kraft fühlte sich vertraut an. Er kannte sie so gut, dass er schauderte. Es war wie ein Blick in einen Zerrspiegel. Eine verstörende Empfindung, die aber nicht von der Frau auszugehen schien. Seltsam. Kain schüttelte den Kopf, um die Irritation zu vertreiben.
    Weiter vorn an der Kreuzung zur Neunten erspähte er einen Bettler, sonst aber keinen Menschen. Die Gelegenheit war günstig. Die Frau blieb vor einem Hauseingang stehen und suchte etwas in ihrer Tasche. Mit zwei großen Schritten war er hinter ihr, zog die Desert Eagle, entsicherte sie und streckte die Hand nach Eve Hess aus.
    Als er sie im Nacken berührte, durchzuckten ihn Enttäuschung und Erleichterung zugleich. Sie war nur ein gewöhnlicher Mensch. Und mit der Erleichterung wallte die Gier wieder auf, die er zuvor niedergerungen hatte, ein wilder Hunger, der ihn selbst erschreckte.

    Eve spürte eine Präsenz in ihrem Rücken, wie ein Windhauch auf einem Aschefeld. Instinktiv wandte sie sich um.
    Im Bruchteil einer Sekunde erfasste sie einen Mann mit leuchtend weißen Locken. Flüchtig dachte sie, dass er aussah wie ein Erzengel auf einem alten Gemälde. Er war so dicht hinter ihr, dass sie sich fragte, warum sie seine Schritte nicht gehört hatte. Sein Anblick fesselte sie so sehr, dass sie erst verspätet die Pistole bemerkte.
    Eine absolut tödliche Aura haftete ihm an. Seine Bewegungen waren sparsam und elegant wie die einer Raubkatze. Sie nahm all diese Details mit ungewöhnlicher Schärfe wahr. Alle zugleich ballten sie sich zu einer Bedrohung, die ihr schier den Atem raubte.
    Lauf weg, schrie alles in ihr. Doch ihre Muskeln waren wie gelähmt. Und als sie sich endlich wieder rühren konnte, schlossen sich seine Finger um ihren Nacken wie eine Klammer aus Stahl. Im Augenwinkel erfasste sie eine zweite Bewegung, verschwommen und rasend schnell.
    Einen Herzschlag, nachdem sie realisierte, dass es seine Hand mit der Waffe war, traf sie der Lauf der Pistole an der Schläfe und schaltete die Welt um sie aus.

    Alan war spät dran. Er knöpfte sich das Hemd zu, während er die Wohnungstür abschloss und stürmte mit weit ausgreifenden Schritten den Korridor hinunter. Hoffentlich entschied sie nicht, dass er es nicht wert war, zehn Minuten zu warten. Im Aufzug fuhr er sich

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