Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
durchs Haar und betrachtete kritisch seine Erscheinung im fleckigen Spiegel. Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. Wie lange war es her, dass er zuletzt mit einer Frau ausgegangen war? Er konnte sich kaum erinnern.
    Als er in die Lobby trat, streifte eine Witterung seine Sinne, eine Kälte, die ihm die Haare im Nacken aufrichtete und jeden Anflug von Romantik verdrängte.
    Etwas an dieser Aura alarmierte ihn und weckte alte Instinkte. Er hätte nicht sagen können, warum die Präsenz ihn beunruhigte. Ein Schattenläufer strich durch die Straßen und machte sich nicht die Mühe, seinen Geist zu verschließen. Was war schon dabei?
    Alan tastete nach seinem Handy. Im Ausgang blieb er stehen, um Eves Nummer zu wählen. Die fremde Präsenz brandete nun gegen seine Sinne wie Donnergrollen. Seine Unruhe steigerte sich, während er dem Rufton lauschte.
    „Nimm ab“, murmelte er, während er hinaustrat auf die nachtleere Straße. „Komm schon, nimm ab.“
    Die Mailbox schaltete sich ein. Alan drückte die Rufwiederholung. Ein geisterhaftes Echo überlagerte den Ton. Er brauchte mehrere Sekunden, bis er erkannte, dass es ein Handy war, das irgendwo in der Nähe klingelte. Als er auflegte, brach das Echo ab.
    Er wählte erneut. Verzögert setzte das Echo ein.
    Und dann entdeckte er die Ledertasche neben dem Baum. Er bückte sich danach und stellte fest, dass der Riemen abgerissen war. Eves Handy lag daneben. Auf dem Display blinkte sein Name. Alans Nasenflügel blähten sich, das Blut wich aus seinem Gesicht. Er atmete kaum, während er die Schatten um sich musterte. Sein Körper spannte sich.
    Sein Blick fiel in die winzige Gasse, die das Figueroa Hotel von seinem Wohnblock trennte. Schwärze ballte sich in der Lücke zwischen den Mauern. Die fremde Aura fühlte sich nun so dicht an, dass er sie fast greifen konnte. Er witterte die Signatur eines Killers, eine Raubtierfährte. Mit plötzlicher Klarheit wurde ihm bewusst, dass er keine Waffe trug. Er hatte seine Waffen abgelegt, am Tag nach Martys Tod, und geschworen, sie nie wieder anzurühren. Diese Entscheidung hatte er nie bedauert. In den Jahren danach hatte er sich zurückgezogen von den Konflikten seiner Spezies. Er brauchte die Waffen nicht länger. Er erschuf nun, statt zu zerstören.
    Bis vor zwei Tagen die beiden Schattenläufer den Kampf in sein Leben zurückgebracht hatten. Der Gedanke erzeugte einen bitteren Geschmack auf seiner Zunge. Und sein Instinkt flüsterte ihm zu, dass er diese Gasse besser bewaffnet betrat. Doch ihm blieb keine Zeit.
    Er ließ Eves Tasche fallen und trat in die Dunkelheit. Gestank schlug ihm entgegen, eine Mischung aus Urin und Essensabfällen. Und Kupfergeruch. Das scharfe Aroma von Blut.
    „Eve?“, fragte er halblaut.
    Er glaubte eine Bewegung wahrzunehmen, einen schwarzen Klumpen, der sich aus der Dunkelheit schälte. Eine Gestalt hockte am Boden. Er begann zu laufen. Die Finsternis war so absolut, dass er sie selbst mit seinen geschärften Sinnen nicht durchdringen konnte. Erst im letzten Augenblick konnte er erkennen, was vor ihm lag. Der Geruch nach Blut wurde überwältigend.
    „Eve!“
    Die Gestalt vor ihm fuhr herum. Ein Mann mit leuchtend weißem Haar. Ein Schattenläufer, die Quelle der bedrohlichen Präsenz. Die Aura des anderen nahm Alan den Atem. Der Mann entblößte seine Zähne, die troffen vor Blut. Eine Wolfsgeste. Ohne Eile erhob er sich von seinem Opfer. Seine Augen funkelten im aufkeimenden Rausch. Alan hatte es oft gesehen. Oft genug, um selbst der Verlockung zu widerstehen. Der Ekstase, dem Versprechen von Stärke. Es blieb trotz allem, was es war, ein Weg ohne Wiederkehr.
    Alan krümmte sich innerlich, als er einen Blick an dem Mann vorbei auf den Körper erhaschte, der auf den Platten lag. „Eve“, murmelte er. Sein Verstand weigerte sich zu akzeptieren, was er sah. Er war zu spät. Ein paar Minuten zu spät, weil er sich zu viel Zeit gelassen hatte mit der Vorbereitung auf das Dinner.
    Er starrte den anderen an. „Wer bist du?“
    „Kain.“ Das Gesicht des Mannes verzerrte sich zu einem Lächeln. „Mein Name ist Kain.“ Er machte eine Kopfbewegung zu Eve. „Ihr Herz schlägt noch. „Kommst du, um sie zu retten?“
    Ein Schuss hallte von den Hauswänden wider. Alan taumelte rückwärts, als das Profil in seine Brust einschlug. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte. Als er auf dem Asphalt aufschlug, setzte der Schmerz ein. Die zweite Kugel zertrümmerte ihm den Arm, ein drittes Geschoss

Weitere Kostenlose Bücher