Engelsfeuer
Schneckenhaus.
Sie blickte zu ihm herunter, wie er mit zerstrubbeltem Haar im zerwühlten Bett lag. Er wirkte so verloren, dass sie ihn am liebsten in den Arm genommen und nie wieder losgelassen hätte. Jedes Mal, wenn er mehr von seinem Schutzschild fallen ließ, entdeckte sie mehr von seinen Hoffnungen, Träumen und dem versteckten Schmerz. Und jede Enthüllung verstärkte nur ihre Liebe für ihn.
Riley ließ die Türen zwischen ihren Zimmern offen, mehr um seinet- als um ihretwegen. Sie wollte nicht, dass Beck glaubte, sie würde ihm nicht vertrauen, vor allem jetzt nicht.
Als sie sich in ihrem eigenen Bett zusammenrollte, sammelten sich Tränen in ihren Augen. Ein paar galten ihren Eltern und der klaffenden Lücke, die ihr Tod bei ihr hinterlassen hatte. Die meisten galten jedoch dem kleinen, flachsblonden Jungen, der beinahe gestorben wäre, als er versuchte zu beweisen, dass er die Liebe seiner Mutter verdiente.
Riley wachte davon auf, dass jemand unablässig murmelnd sprach. Das Gemurmel wurde lauter, dann schrie Beck voller Entsetzen auf. Sie schwang die Füße aus dem Bett und eilte in sein Zimmer.
»Beck?«
Er saß kerzengerade im Bett, zitterte am ganzen Leib und atmete schwer. Auf seiner Stirn glitzerten Schweißperlen.
Ein Albtraum . Sie wusste, wie das war.
Riley sank auf das Bett neben ihm und wartete, bis er ein wenig wacher war.
»Schlimm?«, fragte sie leise. Ein Nicken. »Dämonen?« Er schüttelte den Kopf. »Der Krieg?«
»Ja. Es ist immer derselbe Traum.«
»Willst du darüber reden?«
Er schüttelte erneut den Kopf. »Irgendwann vielleicht.«
Ohne zu zögern, schlang Riley ihre Arme um ihn und drückte ihn. Als sie ihn nach einer Weile loslassen wollte, ließ er sie nicht. Es ging nicht nur um den Albtraum. Hier in der Stadt war er schutzlos, und er hatte Angst, genau, wie er gesagt hatte.
Riley war sich nicht sicher, ob sie wusste, wie sich die Finsternis vertreiben ließ, aber sie würde ihr Bestes geben und einfach da sein. Sie brachte ihn dazu, sich wieder hinzulegen, dann schmiegte sie sich an seinen Rücken, nahm ihn fest in die Arme und blieb so liegen, bis er in einen tiefen Schlaf fiel.
Der Morgen brachte allerlei Geräusche mit sich, das Rauschen der Dusche, dann das Brummen des elektrischen Rasierers. Schließlich öffnete Riley blinzelnd die Augen. Durch die Verbindungstür beobachtete sie, wie Beck vor einem großen Wandspiegel stand, nur mit einer engen, schwarzen Unterhose bekleidet, und den Stoppeln an seinem Kinn zu Leibe rückte. Wenn er sich Sorgen gemacht hätte, dass sie ihn in Unterwäsche sah, hätte er die Tür geschlossen.
Riley seufzte bewundernd, als sie die Szene auskostete, und ließ den Blick vom Scheitel hinunter bis zu seinen Waden und langsam wieder nach oben gleiten. Die lange, schartige Operationsnarbe an der linken Hüfte fesselte ihre Aufmerksamkeit. Das sah nicht nach einer Dämonenwunde aus.
Wahrscheinlich vom Krieg . Ihr Blick wanderte weiter. Der Dorftrottel hatte einen der schärfsten Hintern, die sie je gesehen hatte, und seine Brust und Schultern waren mit genau der richtigen Menge Muskeln gepolstert. Die genauere Betrachtung hatte sich eindeutig gelohnt.
Dann begegneten sich ihre Blicke im Spiegel.
»Gefällt dir der Anblick?«, grinste er.
Ertappt . »Es wäre mir lieber, wenn da ein paar mehr Klamotten wären«, sagte sie und zog sich die Decke über den Kopf, damit er nicht sah, wie rot sie wurde.
»Du lügst«, erwiderte er lachend. Kurz darauf sank das Fußende ihres Bettes ein. Sie spähte unter der Decke hervor und stellte fest, dass er auf der Bettkante saß und seine dicken Socken anzog.
»Wie spät ist es?«, murmelte sie.
»Kurz nach sieben.« Er zog einen Stiefel an und schnürte ihn fachmännisch zu. »Ziemlich spät für meine Begriffe.« Der zweite Stiefel folgte, und er machte genau wie beim ersten einen Doppelknoten. »Was hältst du davon, wenn ich was zu essen organisiere, während du dich fertig machst?«
»Klingt gut.« Komm in ein paar Stunden wieder …
»Reicht dir ein Sandwich zum Frühstück? Und Orangensaft?«
Es war geradezu unverschämt früh, um jetzt schon übers Essen zu reden. »Egal.«
»Kaffee?«
»Tee. Heiß.«
»Ich bleibe nicht lange weg, also schlaf nicht wieder ein, hörst du?«
Riley murmelte einen leisen Fluch vor sich hin. Selbst ihr Dad hatte begriffen, dass sie morgens eine Weile brauchte, um in die Gänge zu kommen. Die Tür zu ihrem Zimmer wurde geschlossen, und kurz
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