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Engelsfeuer

Engelsfeuer

Titel: Engelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Oliver
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können wir Beck hören, wenn er nach uns ruft.«
    »Warum fahren wir nicht gleich mit Elektroantrieb?«, fragte sie, besorgt, sie könnten direkt an ihm vorbeifahren, während er verletzt war.
    »Wir kommen sonst nicht schnell genug voran. Und wenn ich im Sumpf jemanden loswerden wollte, würde ich ihn garantiert nicht in der Nähe des Anlegers liegen lassen.«
    Er hatte recht. »Was ist mit Dämonen? Hast du je welche gesehen?«
    »Ja, hin und wieder im Laufe der Jahre, aber der Sumpf kann einem echt Streiche spielen, wenn er will. Wenn du allein hier draußen bist, sollen sie ziemlich gefährlich sein. Normalerweise führe ich Gruppen herum, so dass ich nicht viel Ärger habe.«
    Zum Schutz gegen die kalte Brise, die über das offene Wasser blies, wickelte Riley sich in die dicke Decke. Wie musste es erst für Beck sein! Sie hatten absolut keine Ahnung, wo sie suchen sollten, und McGovern hatte sich geweigert, ihnen zu helfen und das Suchgebiet einzugrenzen. Sie waren ganz auf sich allein gestellt.
    Vielleicht auch nicht . Sie kramte den seltsamen polierten Stein hervor, den die alte Frau ihr gegeben hatte, und hielt ihn fest. Inzwischen würde sie alles tun, um ihren vermissten Lieblingskerl zu finden.
    »Behalte die Ufer im Auge«, riet Ray ihr. »Wenn du abgebrochene Zweige siehst oder Hinweise darauf, dass jemand die Böschung hochgezerrt wurde, ruf laut. Ich versuche, auch darauf zu achten, aber der Wasserpegel ist niedriger als normal, und ich muss nach unter Wasser liegenden Baumstämmen Ausschau halten.«
    Er startete den Motor, und sie begannen, den Kanal entlangzutuckern. Als Riley die Ufer absuchte, fiel ihr nur ein Wort ein, das zu passen schien: Urlandschaft.
    Der Okefenokee tolerierte Menschen, zumindest für kurze Zeit. Jemand hatte den Kanal ausgehoben, den sie jetzt benutzten – er war zu gerade, um natürlich zu sein –, aber dieselben Menschen waren daran gescheitert, den Sumpf zu zähmen. Ganz im Gegenteil: Das Land der zitternden Erde hatte sie gezähmt.
    Riley begriff kaum, wie etwas so Schönes so fremdartig sein konnte. Zu beiden Seiten des zwölf Meter breiten Kanals wuchsen dicke Zypressen, gewaltige Riesen, deren Wurzeln tief ins Wasser reichten. Kniewurzeln, bizarre, knotige Monolithen, umgaben die Stämme wie kleine Kinder. Selbst das teefarbene, spiegelglatte Wasser wirkte fremd. Sie starrte hinunter, doch schon kurz unter der Oberfläche konnte sie kaum noch etwas erkennen.
    Über den Motorenlärm hinweg rief Ray laut: »Das Wasser enthält Gerbsäure von den verrottenden Pflanzenteilen. Für die Alligatoren ist es perfekt. Sie lauern unter der Oberfläche und warten auf den richtigen Moment, um sich ihr Fressen zu schnappen.«
    Auf der Stelle wich Riley vom Bootsrand zurück. Sie sah keine Alligatoren, aber das bedeutete nicht, dass nicht einer von ihnen sie gerade gründlich unter die Lupe nahm.
    Einige Zeit später schaltete Ray den Motor aus und wechselte auf Elektroantrieb. Die plötzliche Stille legte sich wie ein Schleier um sie. Während er auf das Wasser vor ihnen achtete, erzählte er Riley mehr von der Geschichte des Okefenokee. Ende des neunzehnten Jahrhunderts hatte man ein Kanalsystem angelegt, um den Sumpf trockenzulegen, doch schließlich hatte man das Vorhaben aufgegeben. Es folgten die Holzfäller, die massiv Holz schlugen. Der Kanal, auf dem sie gerade unterwegs waren, war in den fünfziger Jahren ausgehoben worden, um Torf zu gewinnen. Jetzt war der Sumpf ein Nationalpark.
    In der Ferne sah Riley einen riesigen Vogel über das Wasser segeln und auf einer Kiefer landen. »Wow! Sehen Sie sich den an! Was ist das?«
    »Das ist ein Graureiher.«
    Als sie näher kamen, erhob sich der Vogel erneut in die Lüfte, schoss ein kurzes Stück herab und landete auf der Böschung. Riley schätzte seine Flügelspannweite auf mindestens einen Meter achtzig, und die blassblauen Federn schienen mit dem gräulichen Spanischen Moos zu verschmelzen. Ein heiseres Krächzen durchschnitt die Luft, als der Vogel sein Revier verteidigte.
    In der Nähe des Ufers tauchte ein Alligator auf wie ein lebendiges U-Boot und zog sich mit den stämmigen Vorderbeinen auf den festen Boden. Er war mindestens drei Meter lang, groß genug, um es mit einem erwachsenen Mann aufzunehmen.
    Ray deutete auf einen anderen Räuber, der auf dem anderen Ufer faulenzte. »Sobald die Temperaturen steigen, kriechen sie aus dem Wasser ans Ufer in die Sonne. Im Sommer sind sie ziemlich aktiv.«
    Rileys Hoffnung

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