Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
die Augen nicht aufmachen.
Bill war wieder da, der Boden war kühl und Luce befand sich in einem willkommenen Schatten. Ein Wasserfall zersprühte irgendwo im Hintergrund und nieselte auf ihre heißen Wangen.
»Du hast dich da draußen doch ganz gut geschlagen«, bemerkte er.
»Kling nicht so enttäuscht«, erwiderte Luce. »Wie wär’s, wenn du mir erklären würdest, wohin du verschwunden bist?«
»Geht nicht.« Bill saugte seine fetten Lippen ein, um zu zeigen, dass sie versiegelt seien.
»Warum nicht?«
»Was Persönliches.«
»Geht es um Daniel?«, fragte sie. »Er würde dich sehen können, nicht wahr? Und aus irgendeinem Grund möchtest du nicht, dass er erfährt, dass du mir hilfst.«
Bill schnaubte. »Bei meinen Angelegenheiten geht es nicht immer nur um dich, Luce. Ich habe noch andere Dinge am Laufen. Außerdem scheinst du in letzter Zeit ziemlich unabhängig zu sein. Vielleicht wird es Zeit, unser kleines Arrangement zu beenden und deine Stützräder abzumachen. Wofür zum Teufel brauchst du mich überhaupt noch?«
Luce war zu erschöpft, um auf ihn einzugehen, und zu benommen von dem, was sie gerade gesehen hatte. »Es ist hoffnungslos.«
Die ganze Wut wich aus Bill wie die Luft aus einem Ballon. »Wie meinst du das?«
»Wenn ich sterbe, dann nicht, weil Daniel etwas tut. Es ist etwas, das in mir geschieht. Vielleicht bringt seine Liebe es zum Vorschein, aber … es ist meine Schuld. Das muss ein Teil des Fluches sein, ich habe bloß keine Ahnung, was es bedeutet. Ich weiß nur, dass ich kurz vor meinem Tod einen Ausdruck in seinen Augen gesehen habe – es ist immer der gleiche Ausdruck.«
Er legte den Kopf schräg. »Bis jetzt.«
»Ich mache ihn öfter unglücklich als glücklich«, sagte sie. »Wenn er mich noch nicht aufgegeben hat, dann sollte er es tun. Ich kann ihm das nicht länger antun.«
Sie vergrub den Kopf in den Händen.
»Luce?« Bill setzte sich auf ihr Knie. Da war die seltsame Zärtlichkeit, die er ihr bei ihrer ersten Begegnung entgegengebracht hatte. »Willst du, dass diese endlose Scharade aufhört? Um Daniels willen?«
Luce schaute auf und wischte sich die Augen. »Du meinst, damit er das nicht noch einmal durchmachen muss? Gibt es etwas, das ich tun kann?«
»Wenn du den Körper eines deiner früheren Ichs annimmst, gibt es in jedem Leben einen Moment, kurz bevor du stirbst, wo deine Seele und die beiden Körper – der vergangene und der gegenwärtige – sich voneinander trennen. Es geschieht nur für den Bruchteil eines Moments.«
Luce blinzelte. »Ich glaube, das habe ich gespürt. Passiert es in dem Moment, wenn ich begreife, dass ich sterben werde, kurz bevor ich tatsächlich sterbe?«
»Genau. Es hat etwas damit zu tun, wie deine Leben miteinander verbunden sind. In diesem Bruchteil eines Moments gibt es eine Möglichkeit, deine verfluchte Seele von deinem gegenwärtigen Körper zu trennen. So als würdest du deine Seele herausschneiden. Es würde tatsächlich dieses lästige Reinkarnationselement deines Fluches aufheben.«
»Aber ich dachte, ich sei bereits am Ende meines Reinkarnationszyklus angelangt, sodass ich nicht mehr zurückkommen würde. Wegen der Taufgeschichte. Weil ich nie …«
»Das spielt keine Rolle. Du musst trotzdem den Zyklus zu Ende bringen. Sobald du in die Gegenwart zurückkehrst, könntest du trotzdem jeden Moment sterben, wegen …«
»Meiner Liebe zu Daniel.«
»Genau, etwas in der Art«, erwiderte Bill. »Ähem. Das heißt, es sei denn, du brichst die Verbindung mit deiner Vergangenheit.«
»Also würde ich mich von meiner Vergangenheit lösen, und sie würde trotzdem so sterben wie immer …«
»Und du würdest trotzdem so wie immer aus der Zeit geschleudert werden, nur dass deine Seele zurückbleiben und ebenfalls sterben würde. Und der Körper, in den du zurückkehren würdest«, er pikste ihr in die Schulter – »nämlich dieser hier –, würde frei sein, er wäre befreit von dem Fluch, der seit Anbeginn der Zeit über dir hängt.«
»Kein Sterben mehr?«
»Nicht, solange du nicht von einem Hochhaus springst oder zu einem Mörder ins Auto steigst oder eine Menge Schlaftabletten nimmst oder …«
»Ich versteh schon«, fiel sie ihm ins Wort. »Aber es wird nicht so« – sie hatte Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten –, »es wird nicht so sein, dass Daniel mich küsst, und ich … oder …«
»Nein. Daniel wird überhaupt nichts tun . « Bill sah sie entschlossen an. »Du wirst dich nicht mehr zu ihm
Weitere Kostenlose Bücher