Engelsflammen: Band 3 (German Edition)

ein Vermögen im Kupferhandel gemacht.«
    »Klingt umwerfend.« Luce fiel ihm ins Wort und trottete durchs Gras. »Ich gehe dort hinein. Ich will mit ihr reden.«
    »Moment.« Bill überholte sie, machte kehrt und flatterte dicht vor ihrem Gesicht herum. »Also, das … das geht überhaupt nicht.«
    Er beschrieb mit einem Finger einen Kreis, und Luce begriff, dass er von ihren Kleidern sprach. Sie hatte noch immer die italienische Schwesternuniform an, die sie während des Ersten Weltkriegs getragen hatte.
    Er packte den Saum ihres langen weißen Rocks und hob ihn bis zu ihren Knöcheln hoch. »Was hast du da an? Sind das Turnschuhe ? Du willst mich wohl ärgern.« Er schnalzte mit der Zunge. »Wie hast du bloß diese anderen Leben ohne mich überlebt …«
    »Ich bin gut zurechtgekommen, vielen Dank.«
    »Du wirst mehr tun müssen, als zurechtzukommen, wenn du ein wenig Zeit hier verbringen willst.« Bill flog wieder empor, sodass er mit Luce auf Augenhöhe war, dann flatterte er dreimal um sie herum. Als sie sich umdrehte, um nach ihm Ausschau zu halten, war er verschwunden.
    Aber eine Sekunde später hörte sie dann seine Stimme – obwohl sie so klang, als käme sie aus großer Ferne. »Ja! Brillant, Bill!«
    Ein grauer Punkt erschien in der Luft in der Nähe des Hauses. Er wurde größer und dann noch größer, bis Bills steinerne Runzeln sichtbar wurden. In den Armen trug er ein dunkles Bündel.
    Bei ihr angekommen, zupfte er einmal kurz an ihrer ausgebeulten weißen Schwesterntracht. Sofort lösten sich deren Nähte auf und die Uniform fiel zu Boden. Luce schlang züchtig die Arme um ihren nackten Leib, aber es schien, als würde ihr nur eine Sekunde später eine ganze Reihe von Unterröcken über den Kopf gezogen.
    Bill wuselte um sie herum wie eine tollwütige Schneiderin und schnürte ihre Taille in ein enges Korsett, bis dessen harte Stäbe sie an allen möglichen unangenehmen Stellen piksten. In ihren Unterröcken war so viel Taft, dass sie, selbst wenn sie in einer schwachen Brise still dastand, raschelte.
    Sie dachte, dass sie für die Zeit ziemlich gut aussah – bis sie die weiße Schürze bemerkte, die über ihrem langen schwarzen Kleid um ihre Taille gebunden war. Sie griff sich ans Haar und riss eine weiße Dienstbotenhaube herunter.
    »Ich bin ein Hausmädchen?«, fragte sie.
    »Ja, Einstein, du bist ein Hausmädchen.«
    Luce wusste, dass es dumm war, aber sie war ein wenig enttäuscht. Das Anwesen war prächtig und die Gärten so wunderschön, und sie wusste, dass sie sich auf einer Suche befand, aber hätte sie nicht einfach wie eine echte viktorianische Dame über das Grundstück schlendern können?
    »Ich dachte, du hättest gesagt, meine Familie sei reich.«
    »Die Familie deines früheren Ichs war reich. Stinkreich. Du wirst es sehen, wenn du sie kennenlernst. Sie heißt Lucinda und findet übrigens, dass dein Spitzname absolut grauenhaft ist.« Bill zwickte sich in die Nase, reckte sie hoch in die Luft und imitierte auf ziemlich komische Weise einen Snob. »Sie ist reich, ja, aber du, meine Liebe, bist ein Zeitreisender und Eindringling, der die Gepflogenheiten dieser feinen Gesellschaft nicht kennt. Also, wenn du nicht auffallen willst wie eine Näherin aus Manchester, der man sofort die Tür weist, bevor du auch nur Gelegenheit hattest, ein wenig mit Lucinda zu plaudern, brauchst du eine Tarnung. Du bist eine Spülmagd. Ein Dienstmädchen. Eine Nachttopfentleererin. Es liegt bei dir. Keine Sorge, ich werde dir nicht in die Quere kommen. Ich kann binnen eines Wimpernschlags verschwinden.«
    Luce stöhnte. »Und ich gehe einfach hinein und tue so, als würde ich hier arbeiten?«
    »Nein.« Bill verdrehte seine steinernen Augen. »Geh hinauf und stell dich der Dame des Hauses vor, Mrs Constance. Erzähl ihr, dass deine letzten Herrschaften auf den Kontinent gezogen seien und du nach einer neuen Anstellung suchst. Sie ist eine böse alte Vettel und besteht auf Referenzen. Zu deinem Glück bin ich ihr einen Schritt voraus. Du wirst deine Referenzen in deiner Schürzentasche finden.«
    Luce schob eine Hand in die Tasche ihrer weißen Leinenschürze und zog einen dicken Umschlag heraus. Die Rückseite war mit einem roten Wachssiegel verschlossen; als sie den Umschlag umdrehte, stand darauf in schwarzer Tinte gekritzelt Mrs Melville Constance. »Du bist so eine Art Alleswisser, wie?«
    »Vielen Dank.« Bill verneigte sich huldvoll; dann, als er begriff, dass Luce bereits auf das Haus zuging, flog