Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
das frühere Ich, das überall sein konnte, Schritte entfernt, das Mädchen, zu dem dieser Daniel wirklich gehörte. Sie vergaß alles bis auf ihr Bedürfnis, von ihm festgehalten zu werden.
Er legte ihr die Arme um die Taille und führte sie schnell auf die andere Seite des wuchtigen Kleiderschranks, wo sie vor den übrigen Schauspielern verborgen waren. Ihre Hände fanden seinen Nacken. Ein warmer Schauder durchlief sie. Sie schloss die Augen und spürte, wie ihre Lippen sich trafen, federleicht – beinahe zu leicht. Sie wartete darauf, den Hunger in seinem Kuss zu spüren. Sie wartete. Und wartete.
Luce richtete sich ein wenig höher auf und bog den Kopf zurück, sodass er sie heftiger und intensiver küssen konnte. Sie brauchte diesen Kuss, denn er erinnerte sie daran, warum sie dies tat, warum sie sich in der Vergangenheit verlor und sich selbst wieder und wieder sterben sah: seinetwegen, wegen ihres Zusammenseins. Wegen ihrer Liebe.
Als sie ihn nun hier berührte, musste sie an Versailles denken. Sie wollte ihm dafür danken, dass er sie davor bewahrt hatte, den König heiraten zu müssen. Und sie wollte ihn anflehen, sich selbst nie wieder so zu verletzen, wie er es in Tibet getan hatte. Sie wollte fragen, wovon er geträumt hatte, als er nach ihrem Tod in Preußen tagelang geschlafen hatte. Sie wollte hören, was er zu Luschka gesagt hatte, unmittelbar bevor sie in jener schrecklichen Nacht in Moskau gestorben war. Sie wollte ihre Liebe geben und zusammenbrechen und weinen und ihn wissen lassen, dass sie ihn jede Sekunde jedes ihrer Leben, durch die sie gegangen war, von ganzem Herzen vermisst hatte.
Aber es war unmöglich, etwas davon diesem Daniel zu v ermitteln. Dieser Daniel hatte davon bisher noch gar nicht s erlebt. Außerdem hielt er sie für die Lucinda dieser Ära, für das Mädchen, das nichts von den Dingen wusste, die Luce erfahren hatte. Es gab keine Worte, ihm all das zu erklären.
Ihr Kuss war die einzige Möglichkeit ihm zu zeigen, dass sie verstand.
Aber Daniel küsste sie einfach nicht so, wie sie es wollte. Je enger sie sich an ihn drückte, desto weiter lehnte er sich zurück.
Schließlich schob er sie ganz von sich. Er hielt sie nur an den Händen, als sei der Rest von ihr gefährlich.
»Lady.« Er küsste ihre Fingerspitzen und ein Schauder durchlief sie. »Wäre es zu kühn zu behaupten, Eure Liebe verführte Euch zu einem unschicklichen Benehmen?«
»Unschicklich?« Luce errötete.
Daniel nahm sie wieder in die Arme, langsam und ein wenig nervös. »Gute Lucinda, Ihr dürft in diesen Kleidern nicht an diesem Ort sein.« Sein Blick kehrte immer wieder zu ihrem Kleid zurück. »Was sind dies für Gewänder? Wo ist Euer Kostüm?« Er griff in einen Kleiderschrank und schob ein Gewand nach dem anderen zur Seite.
Schnell begann Daniel seine Stiefel aufzuschnüren und warf sie mit einem dumpfen Aufprall auf den Boden. Luce versuchte, nicht hinzustarren, als er seine Hose fallen ließ. Er trug darunter enge graue Unterhosen, die der Fantasie nur wenig Spielraum ließen.
Ihre Wangen brannten, als Daniel sich sein weißes Hemd vom Leib riss und die volle Schönheit seiner Brust enthüllte. Luce hielt den Atem an. Das Einzige, was fehlte, waren seine entfalteten Flügel. Daniel war so unglaublich schön – und er schien keine Ahnung von seiner Wirkung auf Luce zu haben, als er nun in seiner Unterwäsche vor ihr stand.
Sie schluckte und fächelte sich Luft zu. »Es ist ziemlich heiß hier.«
»Zieht diese Sachen an, bis ich Euch Euer Kostüm holen kann«, sagte er und warf ihr die Kleider zu. »Beeilt Euch, bevor Euch jemand sieht.« Er eilte zu dem Kleiderschrank in der Ecke, stöberte darin und zog ein Kleid in einem kräftigen Grün und Gold heraus, ein weiteres weißes Hemd und ein Paar knielanger grüner Hosen. Er schlüpfte hastig in die neuen Kleider – sein Kostüm, vermutete Luce –, während sie seine Straßenkleidung aufsammelte.
Luce erinnerte sich daran, dass das Dienstmädchen in Versailles eine halbe Stunde gebraucht hatte, um sie in dieses Kleid zu zwängen. Da waren Schnüre und Bänder und Spitzen an allen möglichen intimen Stellen. Es war ausgeschlossen, dass sie einigermaßen würdevoll wieder daraus herauskommen konnte.
» Es gab, ähm, einen Kostümwechsel.« Luce umfasste den schwarzen Stoff ihres Rockes. »Ich dachte, dies würde für meine Rolle hübsch aussehen.«
Luce hörte Schritte hinter sich, aber ehe sie sich umdrehen konnte, zerrte Daniel sie
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