Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
neben sich tief in den Schrank hinein. Der Schrank war eng und dunkel, und es war wunderbar, ihm so nahe zu sein. Er zog die Tür so weit zu wie möglich und stand dann in seiner grün-goldenen Robe vor ihr wie ein König.
»Woher habt Ihr diese Kleider? Stammt unsere Anne Boleyn plötzlich vom Mars?« Er lachte leise. »Ich dachte immer, sie sei aus Wiltshire.«
Luce’ Gedanken rasten, um zu verstehen, was er meinte. Sie spielte Anne Boleyn? Sie hatte dieses Stück nie gelesen, aber Daniels Kostüm ließ darauf schließen, dass er den König spielte, Heinrich VIII .
»Mr Shakespeare – äh, Will – dachte, es würde gut aussehen …«
»Oh, hat Will das?« Daniel feixte, er glaubte ihr nicht, aber es schien ihm nichts auszumachen. Es war seltsam, das Gefühl zu haben, dass Daniel alles charmant finden würde, egal was sie tat oder sagte. »Ihr seid ein wenig verrückt, nicht wahr, Lucinda?«
»Ich – na ja …«
Er strich mit der Rückseite eines Fingers über ihre Wange. »Ich bete Euch an.«
»Ich bete Euch ebenso an.« Die Worte stürzten aus ihrem Mund und kamen ihr nach den letzten gestammelten Lügen so echt und so wahr vor. Es war, als stoße sie einen lange angehaltenen Atemzug aus. »Ich habe nachgedacht, viel nachgedacht, und ich möchte Euch sagen, dass – dass …«
»Ja?«
»Die Wahrheit ist, dass das, was ich für Euch empfinde … tiefer geht als Anbetung.« Sie legte ihm die Hände auf das Herz. »Ich vertraue Euch. Ich vertraue Eurer Liebe. Ich weiß jetzt, wie stark sie ist und wie wunderbar.« Luce war klar, dass sie ihre Karten nicht auf den Tisch legen und sagen konnte, was sie wirklich meinte – sie sollte eigentlich eine andere Version ihrer selbst sein, und Daniel hatte bisher jedes Mal, wenn er dahintergekommen war, wer sie war und woher sie gekommen war, sofort dichtgemacht und sie weggeschickt. Aber vielleicht würde Daniel verstehen, wenn sie ihre Worte sorgfältig wählte. »Es mag so erscheinen, als würde ich – als würde ich manchmal vergessen, was Ihr mir bedeutet und was ich Euch bedeute, aber tief im Innern … weiß ich es. Ich weiß es, weil wir füreinander bestimmt sind. Ich liebe Euch, Daniel.«
Daniel wirkte schockiert. »Ihr – Ihr liebt mich?«
»Natürlich.« Luce musste beinahe darüber lachen, wie offensichtlich es war – aber dann erinnerte sie sich: Sie hatte keine Ahnung, in welchen Augenblick ihrer Vergangenheit sie hineingeraten war. Vielleicht hatten sie in diesem Leben nur scheue Blicke getauscht.
Daniels Brust hob und senkte sich und seine Unterlippe begann zu zittern. »Ich will, dass Ihr mit mir fortgeht«, sagte er schnell. In seiner Stimme lag ein verzweifelter Unterton.
Luce wollte Ja! ausrufen, aber irgendetwas hielt sie zurück. Es war so einfach, sich in Daniel zu verlieren, wenn sein Körper so dicht an ihren gedrängt war und sie durch sein Hemd die Wärme seiner Haut und das Schlagen seines Herzens spüren konnte. Sie hatte das Gefühl, dass sie ihm jetzt alles sagen konnte – angefangen damit, was für ein herrliches Gefühl es gewesen war, in Versailles in seinen Armen zu sterben, bis hin zu ihrer Niedergeschlagenheit, als sie das Ausmaß seines Leidens kannte. Aber sie hielt sich zurück: Das Mädchen, für das er sie in diesem Leben hielt, würde nicht über solche Dinge reden, würde nichts davon wissen. Und Daniel ebenso wenig. Als sie also schließlich den Mund öffnete, brach ihre Stimme.
Daniel legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Wartet. Protestiert noch nicht. Lasst mich Euch auf die schickliche Weise fragen. Gleich, meine Liebste.«
Er spähte durch die aufgesprungene Schranktür zum Vorhang hinüber. Von der Bühne kam Jubel. Das Publikum brüllte vor Lachen und applaudierte. Luce hatte nicht einmal gemerkt, dass das Stück begonnen hatte.
»Das ist mein Auftritt. Ich werde Euch bald wiedersehen.« Er küsste sie auf die Stirn, dann eilte er hinaus auf die Bühne.
Luce wollte ihm nachlaufen, aber zwei Gestalten stellten sich vor die Tür des Kleiderschranks.
Die Tür öffnete sich knarrend und Bill kam hereingeflattert. »Du wirst langsam wirklich gut«, bemerkte er und ließ sich auf einen Sack mit alten Perücken plumpsen.
»Wo hast du dich versteckt?«
»Wer, ich? Nirgends. Wovor sollte ich mich denn verstecken?«, fragte er. »Dieser kleine Schwindel mit dem Kostümwechsel war fast schon ein Geniestreich«, sagte er und hob seine winzige Hand für ein High five.
Es verdarb ihr immer ein bisschen den
Weitere Kostenlose Bücher