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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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den Schultern. »Da bin ich überfragt, Commissario. Ich erinnere mich nur, dass es in beiden Fällen auf eigenen Wunsch geschah. Auch Geistliche sind nur Menschen, und jeder Mensch verspürt mal das Verlangen nach beruflicher Veränderung. Bei Dottesio und Carlini war es offenbar der Wunsch, eine Gemeinde zu leiten und mit Menschen zu tun zu haben anstatt mit Büchern, Akten und Papierstaub.« Er warf einen langen Blick auf eine mit Aktenschränken voll gestellte Wand. »Dafür habe ich großes Verständnis.«
    Alexander, der bislang geschwiegen und aufmerksam zugehört hatte, ergriff das Wort: »Aber ist es nicht seltsam, dass beide den Vatikan so kurz hintereinander verlassen haben? Fast so, als seien sie vor etwas geflohen?«
    »Vielleicht sind sie geflohen, vor der Eintönigkeit ihrer täglichen Arbeit«, antwortete der Kardinal. »Soweit ich mich erinnere, waren sie miteinander befreundet. Möglicherweise haben sie sich ausgetauscht, hat der eine dem anderen als Vorbild gedient, sein Aufgabenfeld zu wechseln. Ich bedaure, Ihnen über diesen Punkt keine genauere Auskunft geben zu können. Als Geistlicher sollte man eigentlich wissen, was seine Untergebenen, die ja auch Anvertraute sind, bewegt. Aber gerade hier im Vatikan wird leider so manche Christenpflicht unter der Last von Arbeit und Verantwortung erstickt.«
    »Das ist ein offenes Wort für einen Mann in Ihrer Position, Eminenz«, fand Alexander.
    »Ich bin ein Freund offener Worte und meine, was ich sage.
    Deshalb glauben Sie mir bitte, dass ich die Morde genauso gern aufgeklärt sähe wie Sie. Wann immer ich Ihnen helfen kann, scheuen Sie sich nicht, sich an mich zu wenden.« Mit diesen Worten stand er auf und reichte ihnen zum Abschied die Hand.
    Als die drei Besucher wieder ins Vorzimmer traten, saß die rothaarige Frau noch immer dort, hatte den »Osservatore Romano« aber inzwischen beiseite gelegt. Jetzt sprang sie auf und wandte sich an den Sekretär. »Kann ich nun endlich mit Seiner Eminenz sprechen?«
    Der Sekretär starrte sie durch seine dicken Brillengläser an wie ein seltenes Insekt, das er soeben entdeckt hatte.
    »Kardinalpräfekt Lavagnino wird Sie zu sich bitten, wenn er Zeit für Sie hat.«
    »Aber für diese Herren hat er sofort Zeit gehabt!«, sagte sie mit Blick auf Alexander und seine Begleiter.
    »›Diese Herren‹ befinden sich auch in Begleitung des Privatsekretärs Seiner Heiligkeit«, wies der bebrillte Geistliche sie emotionslos zurecht.
    Die Frau sprach gut Italienisch, doch Alexander hatte einen wie er glaubte – deutschen Akzent herausgehört. Was zu der deutschsprachigen Ausgabe des »Osservatore« passte, in der sie vorhin mehr genervt als interessiert geblättert hatte. Also ging er zu ihr und sagte auf Deutsch: »Verzeihen Sie, wenn wir uns vorgedrängelt haben. Es lag nicht in unserer Absicht, Ihnen die Zeit zu rauben, Frau …«
    »Falk ist mein Name. Vanessa Falk.«
    Jetzt lächelte sie sogar, und Alexander wäre versucht gewesen, schwach zu werden, hätte er sich nicht in festen Händen befunden. In Händen, die ihm überaus gut gefielen. Wie auch der Rest an Elena.
    Elena erwartete ihn in einer kleinen Bar am Corso Vittorio Emanuele, wo sie bei einem Cappuccino saß und fleißig mit einem dünnen Stift in ihr Notizbuch schrieb. Auch sie hatte grüne Augen, und vielleicht war Alexander deshalb von dieser Vanessa Falk so fasziniert gewesen. Im Gegensatz zu dem langen roten Haar der Deutschen trug Elena ihr dunkles, fast schwarzes Haar sehr kurz, was den Vorteil hatte, dass ihr schönes Gesicht mit den hohen Wangenknochen gut zur Geltung kam.
    »Na, Signore, Musterung abgeschlossen?«, sagte Elena plötzlich, ohne aufzublicken. »Werden Sie es wagen, sich zu mir an den Tisch zu setzen?«
    Er trat zu ihr, und sie küssten sich leidenschaftlich. Alexander bestellte einen Latte Macchiato und berichtete ihr von seinen Erlebnissen im Vatikan.
    »Besser hätten wir es doch gar nicht treffen können«, meinte Elena. »Immer an Commissario Donatis Seite und ungehinderten Zugang zum Vatikan, da hätte ich dich an Lauras Stelle auch sofort freigestellt. Und wie es aussieht, habt ihr mit der Verbindung der beiden Toten zum Geheimarchiv auch schon eine heiße Spur entdeckt.«
    »Entdeckt ist zu viel gesagt, Elena. Papst Custos hat uns mit der Nase drauf gestoßen.«
    »Ja, der Papst«, sagte sie nachdenklich. »Welchen Eindruck hat er auf dich gemacht?«
    »Die Kirchenspaltung geht ihm an die Nieren, aber er versucht, es nicht

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