Engelsfluch
Sprüche habe ich zur Genüge gehört. Ich würde gern zahlen und mich im Waschraum etwas auffrischen und dir dann zum Dank ein gutes Glas Wein spendieren. An einem Ort, wo wir ganz ungestört reden können.«
Schardt nickte. »Dann gehen wir am besten ins ›Caverna‹.
Seitdem es das ›Fame da Lupi‹ gibt, herrscht dort tote Hose. Es heißt, der Laden macht dicht, sobald die Weinvorräte verkauft sind.«
»Das klingt ja geradezu verlockend.«
Fünfzehn Minuten später saßen sie im ›Caverna‹, wo sie neben einem angeschlagenen Trunkenbold am Tresen die einzigen Gäste waren. Sie zogen sich mit einer Flasche Velletri an den hintersten Tisch zurück und unterhielten sich eine Weile ungezwungen über die alten Zeiten. Die Schmerzen in Alexanders Nierenbereich hatten etwas nachgelassen, und seine Anspannung löste sich zusehends. Auch Werner Schardt war relativ locker drauf und gestattete sich, was man bei dem
»Asketen« selten sah, hin und wieder sogar ein schmales Lächeln, als sie die heiteren Seiten ihrer Rekrutenzeit Revue passieren ließen.
Unvermittelt setzte Schardt wieder die ernste Miene auf, für die er bekannt war. »Tempi passati, Alexander. In den letzten Monaten hat sich die Kirche und mit ihr auch die Schweizergarde grundlegend gewandelt. Seit neuestem gibt es sogar zwei Kirchen und zwei Garden. Und auch du bist ein anderer geworden. Etwas bedrückt dich. Was ist es?«
»Was ich dir jetzt sage, ist vertraulich.«
»Geht klar.«
»Ich bin, inoffiziell natürlich, beauftragt, die Polizei bei den Ermittlungen über die Priestermorde zu unterstützen.«
Schardt legte die Stirn in Falten. »Beauftragt? Von wem?«
»Von Seiner Heiligkeit.«
Schardt pfiff leise durch die Zähne. »Das ist in der Tat ein Ding. Aber wenn ich dich so ansehe, glaube ich, das dicke Ende kommt erst noch.«
»Da hast du Recht, leider. Ich habe Grund zu der Annahme, dass Angehörige der Garde in die Morde verwickelt sind.«
»Was heißt verwickelt?«
»Na, was wohl?«
»Verstehe.« Schardt nippte wie geistesabwesend an seinem Wein. »Das sind keine guten Nachrichten, Alexander, weiß Gott nicht. Darfst du mir verraten, woher dein Verdacht stammt?«
Alexander griff in eine Innentasche seiner Lederjacke und zog die dünne Kette mit dem Kreuz hervor, die er vor Schardt auf den Tisch legte. »Kennst du das noch?«
»Selbstverständlich, unser Osterei von Kaplan Imhoof. Was ist damit?«
»Eine identische Kette wurde an der Stelle gefunden, wo man Pfarrer Dottesio ans Kreuz genagelt hat.«
»Und? Rom ist voll von religiösem Schmuck, von Andenken, Kitsch und Tand. Wer weiß, wie viele Menschen, Touristen oder Einheimische, sich so eine Kette gekauft haben.«
»Das mag sein«, sagte Alexander und drehte das Kreuz um, sodass die Gravur sichtbar wurde. »Aber deren Kreuze tragen auf der Rückseite bestimmt nicht die Anfangsbuchstaben der drei Gardeheiligen.«
»Und das Kreuz, das in Santo Stefano in Trastevere gefunden wurde, hat eine solche Gravur?«
»So ist es. Der Juwelier, von dem die Kreuze stammen, hat es einwandfrei als eines der Stücke identifiziert, die er damals für Imhoof angefertigt hat.«
Jetzt nahm Schardt einen großen Schluck Wein, griff zur Flasche und füllte beider Gläser auf. »Es gibt andere Erklärungen für den Fund dieser Kette. Viele haben die Kreuze verschenkt oder versetzt. Oder ein Gardist hat es bei einem ganz normalen Kirchenbesuch verloren.«
»Du weißt doch, dass die Schweizer in der Regel die Kirchen im Vatikan besuchen, aber nicht eine kleine Kirche mitten in Trastevere.«
»Ja, stimmt schon, Alexander.«
Schardt seufzte. »Was willst du jetzt tun?«
»Ich bin zwar erst dreieinhalb Monate von der Garde weg, aber heute Abend habe ich erlebt, wie schwierig es für mich ist, an Informationen zu kommen. Ich brauche jemanden innerhalb der Garde, der Augen und Ohren für mich offen hält und mich über alles Ungewöhnliche unterrichtet. Jemanden, der das nicht als Verrat an seinen Kameraden betrachtet, sondern als Dienst an seiner Einheit. Ein neuer Skandal in der Garde kann leicht ihr Ende bedeuten. Deshalb sollte nichts unter den Teppich gekehrt werden.«
»Habe schon kapiert. Dann müssten aber Gloor und seine Freunde besser unbehelligt bleiben. Wenn sie für den Vorfall heute Abend zur Verantwortung gezogen werden, wird kaum zu verheimlichen sein, dass du dich für das Innenleben der Garde interessierst.«
»Heißt das, du bist dabei?«, fragte Alexander
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