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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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hoffnungsvoll.
    »Unter einer Bedingung.«
    »Ja?«
    »Du verrätst mir, warum du ausgerechnet mir vertraust. Wir waren nie die engsten Freunde.«
    Alexanders Gesicht verfinsterte sich. »Ist das wirklich ein Kriterium, Werner? Mein bester Freund in der Garde, Utz Rasser, hat versucht, mich umzubringen. Du dagegen hast mir heute Abend beigestanden.«
    »Der Fluch der guten Tat«, brummte Schardt und griff mit der rechten Hand in seinen Hemdkragen. »Nur damit du siehst, dass du nicht den Bock zum Gärtner gemacht hast. Ich trage das Ding nämlich tatsächlich und habe es nicht wie so viele einem Mädchen oder einem Pfandleiher überlassen.«
    Er zog die Kette mit dem kleinen Kreuz hervor und hielt sie unter Alexanders Nase. Das schmutzige Licht der Lampe fiel auf die eingravierten Buchstaben MSN.

Pescia
    Der Kaffee war kalt geworden und schmeckte so schlecht, wie Enrico sich fühlte. Er stellte die weiße Plastiktasse auf den Kunststofftisch und stand auf, um wie ein aufgescheuchtes Raubtier in dem langen Gang des Krankenhauses auf und ab zu laufen. Draußen war es längst dunkel geworden, und noch immer hatte er nichts Neues über Elenas Zustand gehört. Er machte sich tausend Vorwürfe, Elena nach Borgo San Pietro mitgenommen zu haben. Dann wieder sagte er sich, dass ihn keine Schuld traf. Er war kein Hellseher, hatte nicht wissen können, was für ein Drama sich in dem verschlafenen Bergdorf abspielen würde. Ein Dorfpriester, der den Bürgermeister ermordete, und das scheinbar auch noch aus heiterem Himmel.
    Das klang wie eine bösartige Variante von Don Camillo und Peppone.
    Soweit Enrico wusste, hatte die Polizei nichts weiter aus Pfarrer Umiliani herausgebracht. Er schwieg eisern über sein Motiv. Immer wieder dachte Enrico darüber nach, was den Priester dazu getrieben haben mochte, gegen das fünfte Gebot zu verstoßen. Er wurde den Verdacht nicht los, dass es etwas mit dem Besuch zu tun hatte, den er und Elena dem Bürgermeister abgestattet hatten. Kurz danach war Cavara eilig zur Kirche gelaufen, wo ihn sein Schicksal ereilt hatte. Der enge zeitliche Zusammenhang konnte kaum ein Zufall sein. Doch diese Erkenntnis brachte Enrico nicht viel weiter. Er hatte nur nach der Familie seiner Mutter gefragt. Irgendetwas stimmte da nicht.

    Als Cavara sagte, der Pfarrer sei in Pisa, hatte er gelogen.
    Enrico hatte dies alles der Polizei erzählt, aber die Beamten konnten sich auch keinen Reim darauf machen.
    So fruchtlos diese Überlegungen letztlich auch waren, sie halfen Enrico, nicht ständig an Elena zu denken, die, soviel er wusste, noch nicht wieder zu Bewusstsein gekommen war. Die Stunden zogen sich quälend langsam dahin, und zum x-ten Mal trat er an das Fenster am Ende des Ganges und blickte hinaus auf Pescia, das jetzt von künstlichen Lichtern erhellt war. Das kleine Krankenhaus stand im sakralen Viertel der Stadt am linken Ufer des Flüsschens, dem der Ort seinen Namen verdankte. In der Nachbarschaft des Krankenhauses befanden sich der Dom, der Konvent und die Franziskuskirche. Der kleine Parkplatz direkt vor dem Hospital war bei ihrer Ankunft überfüllt gewesen, jetzt standen dort nur noch drei Fahrzeuge, darunter Enricos Mietwagen. Dahinter führte eine Brücke über den Fluss. Jenseits des Flusses ragten finstere Umrisse der Berge wie böse Riesen in den Nachthimmel.
    »Kein schöner Abend für Sie, nicht wahr?«
    Die Stimme ließ ihn zusammenfahren. Er war so in Gedanken versunken, dass er nicht gehört hatte, wie sich jemand genähert hatte.
    Hinter ihm stand Dr. Riccarda Addessi in einem offenen weißen Arztkittel, und ihre Augen hinter den dicken Brillengläsern wirkten müde.
    »Elena!«, stieß Enrico hervor. »Wie geht es ihr?«
    »Unverändert«, antwortete die Ärztin matt.
    »Was heißt das?«
    »Sie ist noch immer nicht bei Bewusstsein.«
    »Warum nicht?«

    »Wir lassen Elena morgen von Spezialisten untersuchen, dann können wir Genaueres sagen. Vielleicht hat der Stein Teile ihres Gehirns beschädigt. Erschrecken Sie nicht, das ist nur eine Vermutung.«
    »Dann liegt Elena also in einer Art Koma?«, fragte er vorsichtig und musste sich zwingen, das letzte Wort auszusprechen.
    »Ja, so kann man es ausdrücken.« Dr. Addessi nahm ihre Brille ab und fuhr mit der rechten Hand über ihre müden Augen.
    »Wenigstens ist sie uns nicht verblutet. Und Sie sind sicher, dass dieser seltsame alte Mann, von dem Sie sprachen, die Blutung zum Stillstand gebracht hat?«
    »Sicher bin ich mir nicht, aber

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