Engelsfluch
reinzuwaschen. Eigentlich lag mir nichts an diesem Baldanello, aber Maria war seine Schwester, und an ihr lag mir umso mehr. Wenn herauskam, dass ihr Bruder der Räuberhauptmann war, würde sie wohl kaum glimpflich davonkommen. Ich trat zu den beiden und erkundigte mich nach Riccardos Verletzungen. Maria kniete neben ihrem Bruder und legte einen Verband, den sie aus dem Hemd eines getöteten Banditen gerissen hatte, um seine Brust.
»Meine Wunden sind zum Glück nur oberflächlich«, sagte Riccardo mit einem tapferen Lächeln. »Aber ohne Ihre Hilfe wäre ich jetzt vermutlich so tot wie all die anderen. Warum haben Sie das getan?«
»Nicht für Sie tat ich es, sondern für Maria. Im Übrigen werde ich Sie beide in Zukunft als meine angeblichen Diener duzen.«
Riccardos Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen. »Ich verstehe. Trotzdem stehe ich in Ihrer Schuld, Signor Schreiber.
Ich werde mich dafür erkenntlich zeigen.«
Hauptmann Lenoir brüllte einen Befehl, der Trommler an seiner Seite rührte das Kalbfell, und die Soldaten begannen sich zu sammeln. Maria sah auf. »Was bedeutet das?«
»Der Hauptmann befiehlt den Abmarsch«, sagte ich.
»Aber die Toten? Sollen sie nicht begraben werden?«
»Haben diese Toten meinen Kutscher begraben?«, erwiderte ich, und die Härte meines Tons tat mir im nächsten Augenblick schon Leid.
Maria schwieg und sah beschämt zu Boden.
»Signor Schreiber hat Recht«, sagte Riccardo. »Für den Hauptmann sind wir drei allesamt Opfer der Banditen. Wenn wir uns zu viele Gedanken um die Toten machen, erwecken wir nur seinen Verdacht.«
Eine halbe Stunde später lag das Tal der Banditen hinter uns, und die Kolonne der Soldaten schlängelte sich durch das unwirtliche Terrain. Maria und ich nahmen Riccardo in die Mitte und stützten ihn beim Gehen, so gut es ging. Seine Verwundungen mochten nicht schwer sein, aber sie hatten ihn gleichwohl ein wenig geschwächt.
»Also Lucca«, brummte der Banditenführer leise. »Das hatte ich mir schon gedacht, die Route der Kutsche ließ darauf schließen. Wer immer Ihr Auftraggeber auch sein mag, Signor Schreiber, er verfügt nicht nur über viel Geld, sondern auch über die besten Beziehungen. Die Fürstin hätte sonst kaum ihre halbe Armee in Marsch gesetzt, um nach Ihnen zu suchen.«
»Die Fürstin?«, wiederholte ich.
»Elisa, die Schwester des Franzosenkaisers. Napoleon hat sie Anfang des Jahres zur Fürstin von Piombino ernannt.« Riccardo lachte rau. »Nicht gerade ein großes Reich, eher ein Fliegenschiss auf der Weltkarte. Aber Elisa hat es so geschickt verwaltet, dass der Kaiser ihr nun auch das Fürstentum Lucca übertragen hat. Diese Soldaten hier stehen unter ihrem Befehl, jedenfalls mehr als unter dem des Fürsten.« Wieder ließ Riccardo sein Lachen ertönen, und Verachtung schwang darin mit. Von einem Augenblick zum anderen wurde aus dem Lachen ein Husten, und Maria sah ihren Bruder besorgt an.
»Was ist mit dem Fürsten?«, fragte ich, als Riccardo sich wieder erholt hatte. »Du sprichst gewiss von Elisas Gemahl.«
»Ihr Gemahl, ja, damit umschreibt man seine Position wohl am besten. Felix Bacchiochi heißt er, und er ist Korse wie die Bonapartes. Das hat wohl ausgereicht, um Schwager des Kaisers zu werden. Irgendeinen Ehrgeiz lässt er nicht erkennen, und in der französischen Armee hatte er es nicht weiter als bis zum Hauptmann gebracht, bevor Napoleon ihn zum Brigadegeneral und Befehlshaber der Truppen von Piombino und Lucca ernannte. Aber auch hier ist Elisa es, die, wie gesagt, das eigentliche Kommando führt. Verfluchtes Höllenweib!« Bei der letzten Bemerkung spuckte er aus. Maria drückte seinen Arm fester und sprach leise, aber eindringlich: »Du solltest so etwas nicht sagen, Riccardo! Wenn dich einer der Soldaten hört, ist es um dich geschehen!«
»Ich sage nur die Wahrheit über diese korsische Hexe, Maria.«
Ich ergriff wieder das Wort: »Du scheinst die Fürstin richtiggehend zu hassen, Riccardo. Warum?«
»Weil sie mich und meinesgleichen um Lohn und Brot bringen will. Sie führt einen regelrechten Kreuzzug gegen das, was sie Banditenunwesen nennt. Es heißt, des Kaisers Schwesterlein will sämtliche Wälder ihrer Fürstentümer abholzen lassen, damit sich kein Bandit mehr darin verstecken kann.«
Innerlich musste ich über Riccardo lachen. Er sprach von Lohn und Brot wie ein ehrbarer Kaufmann, Schreiner oder Bäcker, dabei waren er und seine Komplizen diejenigen, welche ehrbare Bürger um ihren Lohn
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