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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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bot doch kaum Platz für die Soldaten und die Schaulustigen. Mir fiel das rechtwinklige Muster der Straßenführung auf, das an ein Schachbrett erinnerte, und ich musste meine Überlegung von eben revidieren: Vieles in Lucca stammte nicht nur aus dem Mittelalter, sondern offensichtlich aus der Zeit der römischen Cäsaren.
    Plötzlich geriet die Kolonne ins Stocken. Hauptmann Lenoir kam auf uns zu und zeigte auf ein großes Eckgebäude an einer Kreuzung, in dem sich eine Herberge befand. »Sie und Ihre Dienstboten können sich dort etwas ausruhen und frisch machen, Monsieur Schreiber. Ich werde Sie später abholen lassen. Wenn Sie besondere Wünsche haben, scheuen Sie sich nicht, diese gegenüber dem Wirt zu äußern. Für seine Entlohnung ist gesorgt. Ich werde Ihnen dreien saubere Kleider bringen lassen. Ein paar Wachen vor dem Haus werden für Ihre Sicherheit sorgen.«
    Als ich mit Maria und Riccardo das Haus betrat, brummte Letzterer: »Von wegen Sicherheit! Die Wachen sollen dafür sorgen, dass wir uns nicht davonstehlen!«
    Erschrocken blieb ich stehen und fragte leise: »Glaubst du, der Hauptmann hat Verdacht geschöpft, was dich und Maria betrifft?«
    Riccardo schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass die Wachen wegen mir und Maria da draußen stehen. Nein, es geht wohl um Sie, Signore. Ihr einflussreicher Auftraggeber scheint Angst zu haben, dass Sie ihm im letzten Augenblick entwischen könnten.«
    »Aber warum sollte ich das tun wollen?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht, weil Ihnen der ganze Zauber, der Ihretwegen veranstaltet wird, zu denken gibt?«
    Ich ließ meinen Blick durch den Eingangsraum der Herberge schweifen. »Hier fühle ich mich jedenfalls sicherer als in deinem Lager, Baldanello. Die Aussicht auf ein warmes Bad, etwas zu essen und saubere Kleider tut ein Übriges, um jeden Gedanken an eine überhastete Abreise zu unterbinden. Und wie steht es da bei dir?«
    »Wenn ich mich jetzt mit Maria absetze, wecken wir nur den Verdacht der Behörden. Hauptmann Lenoir wird mit Sicherheit melden, dass er Sie in Begleitung zweier Diener aus den Händen der Banditen befreit hat. Wenn wir beide uns verdünnisieren, wäre das zum gegenwärtigen Zeitpunkt äußerst unklug. Wenn Sie also gestatten, Signor Schreiber, werden wir noch ein wenig länger in Ihren Diensten verbleiben.« Bei den letzten Worten deutete er eine Verbeugung an, die aber von seiner respektlosen Miene konterkariert wurde.
    »Ich gestatte es«, erwiderte ich in demselben ironischen Tonfall und war insgeheim sehr glücklich über diese Wendung der Dinge, konnte ich auf diese Weise doch weiterhin in Marias Nähe sein.
    Hauptmann Lenoir hatte nicht zu viel versprochen. Der Wirt las uns jeden Wunsch von den Augen ab. Ich badete ausgiebig und ließ mehrmals heißes Wasser nachgießen. Danach lagen auch schon die von Lenoir versprochenen Kleider bereit. Ich musste mir ein Lachen verkneifen, als ich mich mit Riccardo und Maria zum Essen in der Schankstube traf. In der Dienstbotentracht, die Lenoir ihnen hatte schicken lassen, wirkten beide ein wenig unglücklich, Riccardo noch mehr als seine Schwester. Als er meinen spöttischen Blick bemerkte, verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck. Der Wirt servierte uns als Erstes eine heiße Zwiebelsuppe und anschließend ein Kaninchenragout, zu dem es einen schmackhaften Rotwein gab.
    Nachdem Riccardo den Wein gekostet hatte, sah er mich anerkennend an. »Vielleicht habe ich den falschen Beruf gewählt, wenn ich bedenke, was man Ihnen so alles kostenlos vorsetzt, Signor Schreiber.«

    »Kostenlos wohl kaum«, wandte ich ein. »Ich denke, man wird mir die Rechnung sehr bald präsentieren.«
    Keine Stunde später erschien Hauptmann Lenoir in der Herberge, und ich fragte mich, ob er es sein würde, der mir die Rechnung überbrachte. Von den Strapazen des Marsches war ihm nichts mehr anzumerken. Er war frisch rasiert und trug eine saubere Uniform mit blitzblank polierten Knöpfen.
    »Haben Sie sich erholt, Monsieur Schreiber?«, fragte er nach einem kurzen Gruß.
    »Ja, und Sie wohl auch. Sie sehen aus, als wären Sie nicht von einer militärischen Expedition zurückgekommen, sondern eben vom Paradeplatz.«
    Der Franzose lächelte. »Im Gegenteil, Monsieur, dort will ich hin, in Ihrer Begleitung, wenn Sie gestatten. Zur Feier Ihrer Rettung findet eine Truppenparade statt, und ich bin gebeten worden, Sie abzuholen.«
    Das war eine Einladung, der ich mich nicht widersetzen konnte und auch nicht wollte. Eine

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