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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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innere Stimme flüsterte mir zu, dass ich bald Näheres über den Grund meiner Reise erfahren würde, wenn ich den Hauptmann begleitete. Also sagte ich zu und ging mit Riccardo und Maria hinauf auf unsere Zimmer, um mich anzuziehen. Oben fragte Riccardo mich, ob er mich begleiten dürfe.
    »Da kündigt sich ein Schauspiel an, das ich nicht versäumen möchte.«
    Als ich zustimmte, wollte auch Maria mitkommen, aber Riccardo murrte: »Du bleibst hier! Wir wissen nicht, was uns in Lucca erwartet. Hier in der Herberge bist du noch am sichersten.«
    »Ich fühle mich aber sicherer bei dir und – bei Signor Schreiber«, sagte Maria und warf mir einen flehenden Blick zu.

    Als sie meinen Namen nannte und mich dabei ansah, hätte sie sich von mir alles wünschen können, und so sagte ich: »Ich halte es für falsch, Maria hier allein zu lassen. Entweder ihr kommt beide mit oder gar keiner!«
    Riccardos Miene verhärtete sich, und er ballte seine rechte Hand zur Faust, als wolle er mich im nächsten Augenblick mit einem gezielten Hieb zu Boden strecken. Dann aber lächelte er dünn und sagte mit unverhohlenem Sarkasmus: »Ganz wie Sie befehlen, Signore.«
    Der Hauptmann hatte nichts dagegen einzuwenden, dass ich meine vermeintlichen Diener mitnahm. Mit einer kleinen Eskorte geleitete er uns durch Straßen und Gassen, bis sich vor uns ein weiträumiger Platz öffnete, dessen eine Seite von einem Palazzo beherrscht wurde. Davor hatte man eine hölzerne Tribüne errichtet, zu der Lenoir uns führte. »Sehen Sie sich von hier aus die Parade an! Man wird sich später um Sie kümmern.«
    Zahllose neugierige Blicke begleiteten uns, als ich mit Maria und Riccardo zwischen den ehrenwerten Bürgern der Stadt auf der Tribüne Platz nahm. Offenbar hatte sich schnell herumgesprochen, wer wir waren. Ein Teil der Tribüne, ganz in unserer Nähe, war mit Bändern abgesperrt und wurde, obwohl leer, von Soldaten in prächtigen Uniformen bewacht. Während ich noch überlegte, welch hoch gestellte Personen wohl von hier aus das Schauspiel der Parade betrachten würden, ertönte Hörnerklang, und ein großes Tor in der Mauer des Palazzos öffnete sich. Berittenen Gardesoldaten folgte eine schmucke, von vier Schimmeln gezogene Kutsche, die langsam auf die Tribüne zurollte und neben der Absperrung anhielt. Diener, die neben dem Gefährt hergelaufen waren, öffneten den Verschlag und ließen eine Frau und einen Mann aussteigen. Die versammelte Menge begrüßte die beiden mit Beifall und Hochrufen. Es konnte sich um niemand Geringeren handeln als um die Schwester des Kaisers Napoleon und ihren von Riccardo so abschätzig beurteilten Mann.
    Ich vermochte weder seinen Ehrgeiz noch seine Fähigkeiten zu beurteilen, doch sein äußeres Erscheinungsbild war durchaus geeignet, eine Frau für sich zu gewinnen, mochte sie auch die Schwester des meistgefürchteten und wohl auch mächtigsten Mannes Europas sein. Felix Bacchiochi war von mittlerer Statur und besaß ein wohlgeformtes Gesicht, dessen dunkle Augen das Herz einer Frau leicht zum Schmelzen bringen konnten. Locken welligen dunklen Haares lugten unter dem Zweispitz hervor. Die goldbetresste Uniform tat ein Übriges, um den Mann zu einer beeindruckenden Erscheinung zu machen.
    Als ich meinen Blick der Frau an Bacchiochis Seite zuwandte, war ich überrascht. Die große, raubvogelartig gekrümmte Nase und das vorspringende Kinn verliehen Elisa Bonapartes Gesicht einen energischen, eher männlichen Ausdruck, wie man ihn bei ihrem Mann vergeblich suchte. Ihre großen Augen huschten aufmerksam umher, als wolle sie feststellen, wer von ihren Untertanen heftig Applaus spendete und wer nicht. Obgleich sie ein blütenweißes Kleid trug und ihr Gemahl die Uniform, hatte ich den Eindruck, Elisa sei der Mann und Bacchiochi das fügsame Weib an ihrer – oder seiner – Seite.
    Ihr unsteter Blick erfasste mich und ruhte mit großem Interesse auf mir, wie ich festzustellen glaubte. Das wunderte mich nicht, falls sie wusste, wer ich war. Immerhin hatte sie meinetwegen eine kleine Armee ausgeschickt. Während die beiden in dem abgesperrten Bereich auf der Tribüne Platz nahmen, versuchte ich herauszufinden, wer mein geheimnisvoller Auftraggeber sein mochte. Wenn er der Fürstin tatsächlich eng verbunden war, wofür alles sprach, saß er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht sonderlich weit von ihr und ihrem Mann entfernt, so wie ich selbst. Aber keines der Gesichter, in die ich blickte, gab mir durch ein Lächeln

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