Engelsfluch
Massi nach. »Antworte mir!«
»Nein. Signora Rosalia Baldanello lebt noch hier. Aber es geht ihr sehr schlecht. Der Arzt sagt, ihre Tage sind gezählt.«
»Warum hat dein Mann die Fremden angelogen?«
»Er … er wollte Rosalia vor unnötigen Aufregungen bewahren. Ihre Nichte Mariella Baldanello und deren deutsche Familie haben sich die ganze Zeit nicht um ihre Angehörigen hier gekümmert. Jetzt, wo Rosalia bald stirbt, muss dieser Fremde sie nicht belästigen.«
»Und weshalb hat Benedetto ihm gesagt, der Pfarrer sei nach Pisa gefahren?«
»Aus demselben Grund. Benedetto hat befürchtet, dass Don Umiliani den Fremden von Rosalia erzählt.«
»Und sobald die Besucher weg waren, ist dein Mann schnell zum Pfarrer gelaufen, um ihn einzuweihen, nicht wahr?«
Signora Cavara nickte. »Ja, Fulvio, genauso war es.«
»Ach! Eben hast du noch erzählt, du wüsstest nicht, warum Benedetto so übereilt zur Kirche gelaufen ist!«
»Ich … ich wusste nicht, ob ich es vor dem Deutschen sagen soll.«
»Und der Mord? Wie erklärst du dir den? Glaubst du, Pfarrer Umiliani wollte sich deinem Mann nicht fügen und hat ihn deshalb erschlagen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte die Witwe leise und blickte zu Boden, um ihre Tränen zu verbergen.
»Antonia, ich glaube dir nicht«, sagte Massi vorwurfsvoll.
»Du sagst mir nicht die ganze Wahrheit, nicht einmal die halbe!
Willst du dein Gewissen nicht erleichtern?«
Mit einem weißen Taschentuch trocknete die Frau ihre Tränen bevor sie den Polizisten ansah. »Mehr habe ich dir nicht zu sagen, Fulvio.«
»Schade«, brummte Massi und wandte sich zu Enrico um.
»Bevor Sie einen falschen Eindruck von der italienischen Polizei bekommen und denken, wir würden alle Zeuginnen in diesem Ton verhören, muss ich Ihnen Folgendes sagen: Antonia Cavara ist meine Schwester.«
Rom
Der Quirinal, einer der sieben legendären Hügel Roms, lag unter einem dicken Wolkenschleier, als Alexander direkt vor dem Polizeihauptquartier einen Parkplatz fand. Er meldete sich beim Pförtner an und fuhr mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock, wo Stelvio Donatis Büro lag. Der Commissario saß hinter seinem Schreibtisch voller Papiere und blätterte, einen Zigarillo im Mundwinkel, durch einen dicken Terminplaner.
»Und ich dachte immer, ein Kriminalkommissar wartet im Trenchcoat und mit hochgeschlagenem Kragen an der Straßenecke, um den überraschten Verdächtigen mit einem genialen Bluff zum Geständnis zu bringen«, scherzte Alexander beim Eintreten.
»Die Situation habe ich auch schon erlebt, im Kino.« Donati breitete die Arme über dem Schreibtisch aus, als wolle er den Tisch mit sämtlichen Papieren zum Verkauf anbieten. »Na, Alexander, hast du nicht doch Interesse, in den Polizeidienst zu wechseln?«
»Nein danke.« Alexander legte eine Hand an die Stelle, wo seine Nieren noch ein wenig schmerzten. »Der Journalistenjob ist schon gefährlich genug.«
»Hast du gestern schlechte Erfahrungen gemacht?«
Alexander nickte, während er sich auf einen freien Stuhl setzte. »Mit einem Kampfmesser, einem Stein und zwei bloßen Fäusten. Alle bedrohten mich, und ich hätte ziemlich alt ausgesehen, wäre mir nicht Werner Schardt zu Hilfe gekommen.«
»Wer?«
»Der Gardeadjutant, der uns am letzten Freitag in den Vatikan gelassen hat«, antwortete Alexander und schilderte sein gestriges Abenteuer. »Tja, und jetzt spielt Werner für uns den Spitzel bei der Garde. Ich hoffe, es ist dir recht, dass ich ihn eingeweiht habe. Aber irgendjemandem müssen wir vertrauen.«
»Ich verlasse mich da auf dein Urteil. Außerdem stimmt es, wir müssen endlich mal vorankommen. Die beiden Priestermorde haben einiges Aufsehen erregt, und ich werde schon mit unangenehmen Fragen von ganz oben bedrängt, wann es denn erste Ermittlungsergebnisse gibt.«
»Und? Wann gibt es die?«
»Keine Ahnung. Ich wühle mich gerade durch Pfarrer Dottesios Papiere. Ich hatte keinen blassen Schimmer, mit was für einem Verwaltungskram der Hirte einer Kirchengemeinde beschäftigt ist. Mit fast mehr als die Polizei, und das will was heißen!«
»Irgendetwas von Belang dabei?«
»Kaum. Ich studiere gerade Dottesios Terminplaner von diesem Jahr. Hochzeiten, Taufen, Gemeinderatssitzungen, Beerdigungen, runde Geburtstage, christliche Gedenktage und und und. Wenn etwas von Belang ist, dann allenfalls dieser Eintrag vom sechzehnten.«
»Das war der Tag vor seiner Ermordung«, stellte Alexander fest.
»Ganz genau«, sagte Donati und drehte
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