Engelsfluch
Ihre Zeit nicht über Gebühr beanspruchen, Eminenz«, erwiderte Donati.
»Das tun Sie nicht. Auch ich bin sehr an der Klärung dieser Mordfälle interessiert, wie ich Ihnen bereits versicherte.«
»Am vergangen Freitag, ja«, sagte Donati. »Da sind wir Dr.
Falk kurz in Ihrem Vorzimmer begegnet. Hat sie an diesem Tag um die Erlaubnis nachgesucht, im Geheimarchiv zu recherchieren?«
»Sozusagen. Sie hatte den Antrag schon vorher gestellt und war am Freitag gekommen, um meine Antwort zu hören.«
»Ist es üblich, dass die Antragsteller persönlich bei Ihnen erscheinen, Eminenz?«
»Nein, Commissario. Aber Dr. Falk weilt ohnehin in Rom und hat ihre Angelegenheit als sehr dringend dargestellt, deshalb habe ich eingewilligt, sie persönlich zu empfangen.«
»Verstehe«, sagte Donati und erhob sich von dem hölzernen Besucherstuhl. »Wenn es Sie nicht stört, Eminenz, würden Signor Rosin und ich ganz gern allein mit Dr. Falk sprechen.
Ihre Anwesenheit könnte sie in der einen oder anderen Art befangen machen.«
»Ich habe nichts dagegen. Geben Sie mir einfach Bescheid, wenn es Neuigkeiten gibt!«
»Sie werden es als Erster erfahren, Eminenz«, versicherte Donati. Und Alexander ergänzte: »Zusammen mit Seiner Heiligkeit.«
Die Vatikanische Bibliothek lag im Gebäudekomplex der Vatikanischen Museen am anderen Ende des Kirchenstaats.
Dank Alexanders Ortskenntnis nahmen sie einen relativ kurzen Weg dorthin, der erst um den Petersdom herum und dann durch den schnurgeraden Stradone dei Giardini führte. Im Lesesaal fanden sie Dr. Falk über einen Stapel Bücher gebeugt. Sie machte sich eifrig Notizen und schien Donati und Alexander gar nicht zu bemerken. Vanessa Falk trug heute eine Brille, aber das tat in Alexanders Augen ihrer Attraktivität nicht den geringsten Abbruch.
Als Donati sie ansprach, zuckte sie erschrocken zusammen, und ihre grünen Augen blitzten die beiden Männer über den Rand der Brille an. »Ist das Ihr Hobby, nichts ahnende Frauen zu erschrecken, oder … Moment, kennen wir uns nicht?«
»Aus dem Vorzimmer von Kardinal Lavagnino, am Freitag«, bestätigte Alexander.
»Ja, stimmt, die beiden Herren mit dem schnellen Zutritt.«
»Nehmen Sie uns das immer noch übel?«, fragte Alexander.
Sie lächelte. »Nein. Was kann ich für Sie tun?«
Donati hielt ihr seinen Dienstausweis unter die schöne Nase.
»Kriminalpolizei. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen, die Ihr Verhältnis zu Pfarrer Giovanni Dottesio betreffen.«
»Ich hatte kein ›Verhältnis‹ zu Pfarrer Dottesio.«
»Aber Sie haben ihn gekannt?«
»Wir haben zweimal miteinander telefoniert, und letzte Woche am Mittwoch haben wir uns persönlich kennen gelernt.
Das einzige Mal übrigens, dass wir uns getroffen haben.«
»Ihm blieb ja auch nicht mehr viel Zeit zu weiteren persönlichen Treffen«, bemerkte Donati. Vanessa Falk nickte.
»Sie spielen auf seinen Tod an, nicht? Eine schreckliche Geschichte. Hat die Polizei schon nähere Hinweise auf den Täter?«
»Deswegen sind wir hier. Wir hoffen, dass Sie uns weiterhelfen können.«
Dr. Falk sah sich im Saal um und sagte noch eine Spur leiser als bisher: »Ich glaube, wir stören die anderen hier. Mein Magen knurrt schon seit einer halben Stunde. Wollen wir nicht irgendwo eine Kleinigkeit essen gehen? Rings um die Vatikanischen Museen gibt es doch wundervolle Pizzerias.«
»Wundervolle Touristenfallen«, sagte Alexander. »Aber ich kenne ein Lokal in der Nähe, wo es gute und preisgünstige Pizzas gibt.«
Das Lokal lag am Rand des Borgo Pio. Da es noch nicht Mittag war und der Regen zudem eine Menge Touristen verschreckte, fanden sie einen Tisch, an dem sie sich ganz ungestört unterhalten konnten.
Nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten, fragte Vanessa Falk: »Wieso sind Sie der Ansicht, dass ausgerechnet ich Ihnen bei Ihren Ermittlungen weiterhelfen könnte? Wo ich Pfarrer Dottesio doch kaum gekannt habe.«
»Dottesio hatte das Treffen mit Ihnen in seinem Terminplaner eingetragen, und wir konnten uns keinen Reim auf diesen Eintrag machen«, erklärte Donati. »Vielleicht sagen Sie uns ganz einfach, worum es dabei ging.«
»Ich hatte Dottesio um Hilfe gebeten, weil er früher in der Registratur des Geheimarchivs gearbeitet hat. Ich hoffte, er könnte mir bei meinen Forschungen helfen.«
»Wäre es nicht angebrachter gewesen, sich an den jetzigen Leiter der Registratur zu halten?«, fragte der Commissario. Dr.
Falk lächelte versonnen. »Nicht, wenn man
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