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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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meinen Vater. Oder jemanden, der seinen Namen kennt.«
    »Zum Beispiel Rosalia Baldanello.«
    »Das hatte ich bis heute gehofft, aber nach dem Besuch bei meiner Großtante habe ich starke Zweifel, dass ich von ihr mehr erfahren werde. Ihr Geist ist verwirrt, und irgendetwas versetzt sie in Panik.«
    »Vielleicht derselbe Grund, der auch Don Umiliani in Panik geraten ließ«, schlug der Commissario vor. »So sehr, dass er meinen Schwager getötet hat.«
    »Möglich. Aber was ist es?«
    »Ich weiß es nicht, noch nicht, aber es ist eine seltsame Geschichte«, fand Fulvio Massi, während er vor einer scharfen Kurve auf die Bremse trat. »Und eine beunruhigende.«
    »Wieso beunruhigend?«
    »Gehen wir einmal davon aus, dass die Ermordung meines Schwagers tatsächlich etwas mit Ihrem Besuch zu tun hat. Liegt dann nicht die Überlegung nahe, dass der Mörder, Pfarrer Umiliani, den armen Benedetto zum Schweigen bringen wollte?«
    »Sie meinen, damit er mir nicht etwas über meinen Vater verrät?«
    »So ungefähr«, brummte Massi und wechselte den rechten Fuß wieder aufs Gaspedal, um am Ende der Kurve zu beschleunigen.
    »Weshalb finden Sie das beunruhigend?«

    »Wenn ein kreuzbraver Priester wegen des Auftauchens eines Mannes aus heiterem Himmel zum Mörder wird, finde ich das allerdings beunruhigend. Sie etwa nicht?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fragte Massi weiter: »Welcher Art ist eigentlich die Verbindung zwischen den Familien Schreiber und Baldanello?«
    »Auch das habe ich nie in Erfahrung bringen können. Man scheint sich schon seit etwa zweihundert Jahren gekannt zu haben und stand seitdem im Kontakt miteinander. Aber es gibt offenbar keine Aufzeichnungen über den Grund und den Beginn dieser Freundschaft.« Enrico überlegte, ob er dem Polizisten von Fabius Lorenz Schreibers Reisetagebuch erzählen sollte.
    Immerhin war es seiner Mutter so wichtig gewesen, dass sie es ihm auf dem Sterbebett übergeben hatte. Er sah ihren geschwächten, halb gelähmten Körper vor sich und die zitternde Hand, die ihm mit letzter Kraft das alte Buch hinhielt. Aus diesen Aufzeichnungen erfuhr er zumindest mehr darüber, wie sich die Familien Schreiber und Baldanello kennen gelernt hatten. Ob sie auch einen Hinweis auf seinen Vater enthalten würden, musste sich noch zeigen.
    Aber bis dahin, beschloss er, wollte er niemandem von dem Buch erzählen. Vielleicht enthielt es weitaus unliebsamere Wahrheiten als die, dass ein Räuberhauptmann zur Familie Baldanello gehört hatte.
    Als sie den dunklen Wald verließen und auf Pescia zufuhren, wurde es nicht merklich heller. Die Wolken hatten sich über der kleinen Stadt zusammengezogen und hingen über ihr wie eine gigantische dunkelgraue Glocke. Der Regen hatte den schmalen Fluss ein wenig breiter werden lassen und die Straßen leer gefegt. Massi setzte Enrico vor dem Krankenhaus ab und fuhr dann weiter in Richtung Piazza, wo die Polizeistation lag.
    Enrico lief durch den Regen zum Krankenhauseingang und erkundigte sich beim Pförtner nach Dr. Addessi. Diesmal war die Ärztin im Haus und auch für ihn zu sprechen. Als er den kleinen Büroraum betrat, in dem sie ihn erwartete, sah er gleich an ihrem bekümmerten Ausdruck, dass sie keine guten Nachrichten für ihn hatte.
    »Geht es Elena schlechter?«, fragte er und sparte sich die Höflichkeit einer Begrüßung.
    »Es sah kurzzeitig so aus, als würde sie aus dem Koma erwachen. Aber sie war zu schwach, sie wäre uns gestorben, wenn wir nicht …«
    Riccarda Addessi beendete ihren Satz nicht, sondern starrte auf einen imaginären Punkt an der Wand neben Enrico.
    »Wenn Sie was nicht?«, fragte er laut. »So reden Sie doch!«
    »Wir haben sie wieder künstlich ins Koma geschickt. Nur so konnten wir ihren Zustand stabilisieren.«
    »Ins künstliche Koma?«
    Enrico überlegte eine Weile, sortierte seine Gedanken und versuchte zu begreifen, was Dr. Addessis Eröffnung bedeutete.
    »Heißt das, Elena wird nie wieder erwachen, weil sie sonst …
    stirbt?«
    »Wir arbeiten an einer Lösung dieses Problems«, versicherte ihm die Ärztin mit einer Zuversichtlichkeit in der Stimme, die im Widerspruch zu ihrem ratlosen Gesichtsausdruck stand.
    »Glauben Sie mir, wir tun alles, was wir können!«
    »Die Frage ist nur, ob das ausreicht«, sagte Enrico leise und verließ den Raum, ohne sich zu verabschieden. Er fühlte sich auf einmal sehr müde und erschöpft. Machte sich der fehlende Schlaf der letzten Tage bemerkbar? Fast war er froh, als ihm

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