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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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was Ihr Herz Ihnen sagt! Das menschliche Herz ist in der Regel kein schlechter Ratgeber, mein Sohn.«
    »Vielleicht haben Sie Recht, Eminenz.«
    »Es freut mich, wenn Sie dabei sind, Ihren Glauben wiederzufinden.« Er zeigte mit einladender Geste auf die leeren Beichtstühle. »Es ist sicher lange her, dass Sie Ihr Gewissen vor Gott erleichtert haben. Wenn Sie möchten, stehe ich Ihnen zur Verfügung.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Enrico zögernd. »Ich glaube, dazu ist es zu früh.«
    Der Kardinal nickte verständnisvoll. »Wie ich schon sagte, hören Sie auf Ihr Herz! Es kann einem Menschen unendlich viel helfen, sein Gewissen zu erleichtern. Ich habe es gerade erlebt, als ich Pfarrer Umiliani die Beichte abnahm.«
    Enrico sah ihn erstaunt an. »Sie waren bei Umiliani? Er hat sich Ihnen offenbart?«
    »So ist es, und hinterher ging es ihm etwas besser.«
    »Warum hat er Benedetto Cavara getötet?«

    »Aber Signor Schreiber, als Katholik sollten Sie wissen, dass mich das Beichtgeheimnis zum absoluten Stillschweigen verpflichtet. Selbst der Justiz darf ich nicht mitteilen, was Umiliani mir als seinem Beichtvater anvertraut hat.«
    »Sie wissen, wer ich bin, Eminenz?«
    »Ich kam hierher, um mit Ihnen zu sprechen. Der Pförtner im Hospital sagte mir, er habe sie durch das Portal von San Francesco gehen sehen. Die Kirche ist, wie Sie sich denken können, sehr besorgt über den Vorfall in Borgo San Pietro.
    Vielleicht können Sie mir helfen, ein wenig Licht in die Sache zu bringen.«
    »Sie haben sicher mit der Polizei gesprochen, Eminenz.«
    »Sicher.«
    »Dann kennen Sie die äußeren Umstände. Mehr weiß ich auch nicht. Ich habe mich bei dem Bürgermeister lediglich nach meiner Familie erkundigt. Er log mich an, sagte, es lebe kein Baldanello mehr im Ort und der Pfarrer sei verreist. Warum er log und warum er danach zu Umiliani eilte, kann ich mir ebenso wenig erklären wie die Tat des Priesters. Darüber wissen Sie vermutlich mehr als ich.«
    »Auch Pfarrer Umiliani hat sein Päckchen zu tragen«, erklärte der Kardinal und wies zum Ende des rechten Langschiffs. »Schauen Sie mal!«
    Er führte Enrico zu einem Tafelbild, das einen Heiligen mit den Wundmalen darstellte, wie man sie auch auf vielen Abbildungen des gekreuzigten Heilands findet. Sechs Szenen aus dem Leben des Heiligen umrahmten das Tafelbild, und Enrico erkannte an diesen Szenen, um wen es sich handelte.
    »Der heilige Franziskus, Franz von Assisi«, sagte er.

    »Ja, der Patron dieser Kirche und der Schutzheilige ganz Italiens«, bestätigte der Kardinal. »Ein reicher Kaufmannssohn ein Playboy nach heutigen Maßstäben, der auf alles verzichtete, um barfuß und nur mit einer rauen Kutte bekleidet sein Leben Gott zu weihen. Ein Beispiel für jeden Menschen, der glaubt, sein eigenes Leid nicht mehr ertragen zu können. Franziskus hat immer nur an Gott gedacht, an seine Mitmenschen und an die Tiere, denen er ebenso verbunden war wie den Menschen, aber niemals an sich selbst.«
    »Sollen diese Wundmale seine Leidensfähigkeit veranschaulichen?«
    »Mehr noch, er hat sie tatsächlich empfangen, dafür gibt es Zeugen. Im Jahr 1224, als er schon alt war, krank und sehr schwach, erhielt er auf dem Monte Alverna die Wundmale des Herrn. Es war der Tag des Festes der Kreuzerhöhung, als Christus ihm zum Zeichen höchster Anerkennung diese Gnade erwies.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das Zufügen von Wunden als das Erweisen einer Gnade bezeichnen würde«, sagte Enrico zweifelnd.
    »Es sind die Wunden des Herrn!«, sagte der Kardinal streng, lächelte dann aber nachsichtig und griff in eine Tasche seines Gewands. »Mein Sohn, wenn Sie christlichen Beistand benötigen oder wenn Ihnen noch irgendetwas Wichtiges zu dem Vorfall in Borgo San Pietro einfällt, wenden Sie sich bitte jederzeit an mich.«
    Er gab Enrico eine Visitenkarte mit einer Adresse im Vatikan und dem Aufdruck: ›Araldo Kardinal Ferrio – Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre‹.
    »Sie gehören der Kongregation für die Glaubenslehre an? Ist das nicht die Nachfolgeorganisation der Inquisition?«

    »Wenn ich ein Inquisitor wäre, mein Sohn, würde ich mich dann so freundlich mit Ihnen unterhalten?« Der Kardinal verabschiedete sich, weil er, wie er sagte, zurück nach Rom müsse. Enrico blieb noch eine Weile in der Kirche und dachte über die merkwürdige Begegnung nach. Trotz der freundlichen Worte Ferrios wurde er den Eindruck nicht los, dass er gerade einem Verhör unterzogen

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