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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Fähigkeiten von Papst Custos.
    Spürst du keinen Drang, dem nachzugehen? Ich dachte, du seist nach Italien gekommen, um mehr über dich herauszufinden.«
    Damit hatte sie Recht. Ihr Vorschlag, auf Kosten des
    »Messaggero« nach Rom zu fliegen, war eigentlich sehr gut, wäre damit nicht verbunden gewesen, Alexander Rosin zu treffen Enrico verspürte auf nichts weniger Lust als auf eine Begegnung mit ausgerechnet diesem Mann. Aber was nützte es, den Kopf in den Sand zu stecken? Vielleicht war es sogar ganz gut Elenas Freund persönlich kennen zu lernen. Er dachte an alte Westernfilme, in denen man Wunden mit einem glühenden Eisen ausbrannte.
    Enrico zog sein Handy hervor und reichte es Elena. »Ruf deine Redaktion an! Sie soll mir einen Flug und ein Hotelzimmer buchen.«
    »Danke«, sagte Elena lächelnd. »Ich hoffe, du wirst dich nicht langweilen.«

    »Ich nehme mir etwas zu lesen mit«, antwortete er und dachte an das Reisetagebuch.
    Das Reisebuch des Fabius Lorenz Schreiber, verfasst
    anlässlich seiner denkwürdigen Reise nach Oberitalien im

Jahre 1805
    Viertes Kapitel – Das Dorf in den Bergen
    Die spätsommerliche Hitze und der beschwerliche Weg durch die zerklüfteten Berge ließen mich an Ägypten denken, auch wenn ich hier nicht von sandiger, felsiger Wüstenei, sondern von Wiesen und Wäldern umgeben war. Es ging so steil bergauf, und das Gelände war so unwegsam, dass Hauptmann Lenoir und ich längst von unseren Pferden gestiegen waren. Die Tiere schienen noch erschöpfter als wir, und hinter uns trottete die kleine Truppe von dreißig Soldaten. Mehr hatte Lenoir, dem von Elisa Bonaparte der Schutz meiner Expedition aufgetragen worden war, nicht mitnehmen dürfen. Die österreichische Armee Erzherzog Karls, die Italiens Nordgrenze bedrohte, sollte an die einhunderttausend Mann stark sein. Elisa benötigte jeden verfügbaren Soldaten zur Verteidigung ihres kleinen Reiches.
    Eine gute Woche waren wir jetzt unterwegs, und ich hatte in den umliegenden Ortschaften Erkundigungen über den möglichen Standort des alten etruskischen Heiligtums eingeholt. Viel war bei den Gesprächen mit den Einheimischen nicht herausgekommen. An alten Kulturgütern waren die italienischen Bauern nicht interessiert. Die Menschen bewegte allein die Furcht, Ausgrabungen auf ihrem Grund könnten ihre Weinberge und Felder zerstören. Aber ich hatte viele Gegenstände bei den einfachen Leuten gesehen, für die Sammler und Museumsdirektoren einen hübschen Batzen Geld hingelegt hätten: Töpfe und Krüge, bemalte oder mit Reliefarbeiten verzierte Steine. Diese Fundstücke benutzte man für den täglichen Gebrauch, ohne sich des wahren Wertes bewusst zu sein. Durch geschicktes Fragen hatte ich nähere Hinweise auf den Fundort erhalten. Alles deutete auf einen einsamen Ort hoch oben in den Bergen hin, in dessen Nähe ich das etruskische Heiligtum vermutete. Der Name dieses Ortes war Borgo San Pietro.
    Der schmale Pfad, falls man überhaupt von einem solchen sprechen konnte, schlängelte sich zwischen dichten Reihen von Eichen und Kastanien hindurch, deren dicke Wurzeln widerspenstig aus dem Boden lugten und oft genug quer über den Weg ragten.
    Ein heiserer Schrei über unseren Köpfen ließ mich nach oben sehen. Gegen die blendende Sonne erkannte ich den Schattenriss eines Raubvogels, wohl eines Bussards, der dort seine Kreise zog, als hätte er uns zu seiner Beute erkoren.
    Hinter mir hörte ich ein dumpfes Geräusch, gefolgt von einem schmerzerfüllten Aufstöhnen. Ich wandte mich um und sah Maria, die offenbar über eine Baumwurzel gestürzt war, am Boden liegen. Ich gab die Zügel meines Braunen einem Korporal und eilte zu der Gestürzten, aber Riccardo, der neben ihr gegangen war, beugte sich bereits über seine Schwester.
    »Es ist nicht weiter schlimm«, sagte Maria und lächelte tapfer. »Ich habe mich nur über den Vogel erschrocken und darum die Wurzel nicht gesehen.«
    Sie strich das lange Haar, in dem sich während des Marsches ein paar Kletten verfangen hatten, aus ihrem Gesicht. Ich entdeckte eine Wunde auf ihrer Stirn, klein nur, aber sie blutete.
    Maria behauptete, keine Schmerzen zu haben. Doch ich ließ es mir nicht nehmen, die Wunde mit der Hilfe ihres Bruders zu säubern und zu verbinden. Die Soldaten genossen die unverhoffte Rast und griffen zu den Feldflaschen, um ihre ausgetrockneten Kehlen anzufeuchten. Mir entgingen die lüsternen Blicke nicht, die sie der schönen Italienerin, der einzigen Frau weit und

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