Engelsfluch
wirklich nicht. Als ich hörte, dass du nach Borgo San Pietro willst, sah ich das als gute Gelegenheit, den Ort ohne viel Aufhebens zu besichtigen. Ich dachte, ein Touristenpaar fällt weit weniger auf als eine Journalistin.«
»Du hättest es mir sagen können. Warum hast du dich als Lehrerin auf Urlaub ausgegeben und mir nicht einfach gesagt, dass du Recherchen im Geburtsort des Gegenpapstes betreiben willst?«
Sie zuckte ratlos mit den Schultern. »Berufskrankheit, schätze ich. Wie sagte doch immer der alte Bernardo, der Redakteur, bei dem ich mein Handwerk gelernt habe: ›Vertraue niemandem und nur im Zweifelsfall dir selbst!‹«
»Du hast also geglaubt, ich könnte dich verraten.«
»Nicht direkt. Aber ich dachte, wenn du die Wahrheit nicht weißt, kannst du dich auch nicht verplappern.«
»Vielen Dank für dein großes Vertrauen!«, sagte er säuerlich.
»Ich wollte dich nicht verletzen, Enrico! Wie kann ich das wieder gutmachen?«
»Indem du mir jetzt die ganze Wahrheit sagst.«
»Die kennst du schon.«
»Nur über deinen Beruf.«
»Ach so«, sagte Elena mit einem tiefen Seufzer. »Das meinst du.«
»Ja, das meine ich«, erwiderte er mit belegter Stimme.
»Frauen sind in solchen Dingen sehr sensibel. Vermutlich hast du längst gemerkt, dass du mir nicht gleichgültig bist. Vielleicht bin ich zu unsensibel, aber ich hätte gern von dir gehört, wie du dazu stehst.«
Elena legte ihre rechte Hand auf seine. »Ich könnte mir gut vorstellen, mein Herz an dich zu verlieren, Enrico – wenn ich es nicht schon an jemand anderen verloren hätte.«
Er ignorierte das leichte Schwindelgefühl, das ihn erfasste, und fragte: »Darf ich etwas mehr darüber wissen? Wer ist der Glückliche?«
»Er heißt Alexander. Nachdem ich aufgewacht bin, habe ich lange mit ihm telefoniert. Stell dir vor, er wusste gar nicht, dass ich im Krankenhaus liege. Irgendwie hat die Polizei es nicht fertig gekriegt, die Nachricht nach Rom zu übermitteln.«
»So etwas kann passieren, wenn man zu viel Geheimniskrämerei um seine Person betreibt.«
»Das habe ich jetzt wohl verdient«, sagte Elena ein wenig betrübt, lächelte aber gleich wieder. »Wir sind in einer sehr dummen Situation, Enrico. Aber wir sollten uns nicht mit Vorwürfen beharken, das hilft uns nicht wirklich. Lass uns lieber in Ruhe über alles sprechen!«
»Gut, dann erzähl mir mehr von deinem Alexander! Der Name klingt nicht gerade nach einem Italiener.«
»Er ist Schweizer«, erklärte sie und erzählte ausführlich, wie sie und Alexander Rosin sich kennen gelernt hatten. Sie schloss mit den Worten: »Jetzt kennst du mein Privatleben fast besser als ich selbst.«
»Ja, und ich habe den Eindruck, dass du mit deinem Alexander verdammt glücklich bist.«
»Wir sind sehr glücklich zusammen, ja.«
»Gut für euch, nicht so gut für mich«, sagte er mit einem gezwungenen Lächeln und erhob sich. »Na ja, da muss ich mich wohl auf die Suche nach Müttern mit hübschen Töchtern begeben.«
Obwohl er das so leichthin sagte, war ihm kein bisschen fröhlich zumute. Aber nur auf diese Weise konnte er die tiefe Traurigkeit, die ihn erfüllte, überspielen. Die Vorstellung war zu Ende, und er wollte sich und Elena einen weinerlichen Abgang ersparen.
Überraschenderweise hielt Elena ihn an der Hand fest. »Bleib noch, Enrico, bitte!«
»Wozu?«
»Ich weiß, ich habe dazu kein Recht, aber ich möchte dich noch einmal um deine Hilfe bitten. Auch wenn es mir besser geht, bin ich laut Aussage der Ärzte noch einige Zeit Gast in diesem schönen Hospital. Würdest du für mich nach Rom fliegen? Meine Zeitung übernimmt selbstverständlich alle Kosten. Berichte Alexander alles, was du hier erlebt hast, besonders, was dein Zusammentreffen mit Angelo betrifft! Und zeig ihm die Zeitungsausschnitte, die du von deiner Großtante bekommen hast! Ich selbst kann mir noch keinen Reim auf all das machen, aber ich werde das Gefühl nicht los, es steht in einem Zusammenhang mit der Glaubenskirche und ihrem Gegenpapst.«
»Warum? Nur, weil er aus Borgo San Pietro stammt?«
»Ist das nicht Anlass genug, der Sache auf den Grund zu gehen?«
»Für dich vielleicht. Aber was geht mich das an?«
»Vielleicht mehr, als dir lieb ist, Enrico. Denk an die Worte deiner Großtante, die bei deinem Besuch regelrecht in Panik geriet! Und denk an das, was dieser Angelo zu dir gesagt hat!
Seine Kräfte, über die auch du angeblich verfügst, erinnern mich sehr an die außergewöhnlichen
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