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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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seines Vaters bemerkte.
Anstatt sich über Tommasios letzte Bemerkung
aufzuregen, sagte Lucius ruhig, aber bestimmt: »Jetzt
ist endlich heraus, was Totus Tuus wirklich möchte.
Vielleicht hatte der Orden früher einmal den Anspruch, den christlichen Glauben zu verbreiten, aber
der schäbige Rest, der sich hier versammelt hat, ist
nichts anderes als ein Verein von Ketzern, die sich auf
Gott berufen und in Wahrheit Luzifer an die Macht
bringen wollen. Warum sagst du es nicht freiheraus, Bruder Tommasio?«
»Lassen wir das, es führt zu nichts!« erwiderte der
Ordensgeneral und wandte sich ab.
Sie setzten ihren Weg fort, und bald mündete der
Gang in einen großen, runden Felsendom, der mehrere überlebensgroße Engelsstatuen beherbergte – oder
was davon übrig war. Hier sah es aus, als hätte ein
Erdbeben gewütet. Keine einzige Statue war unversehrt. Einigen fehlten Kopf oder Arme, andere lagen
ganz und gar in Trümmern. Die Steinengel blickten
sämtlich zur Mitte des unterirdischen Raums, wo eine
große, ebenfalls runde Öffnung im Boden klaffte.
Vorsichtig trat Enrico mit den anderen näher und
spähte über den Rand.
Er sah nichts außer einem Loch, das sich irgendwo
in scheinbar unendlicher Tiefe verlor.
Aber er hörte etwas. Die Stimmen riefen wieder,
hießen ihn willkommen, lockten ihn, warnten ihn aber
auch und wiesen ihn zurück. Das Durcheinander in
seinem Kopf wurde zu einem schmerzhaften Crescendo, das auch nicht nachließ, als er in einem Akt
der Verzweiflung die Hände gegen die Ohren preßte.
Schwindel erfaßte ihn. Er verlor das Gleichgewicht
und wäre in den Abgrund gestürzt, hätten sein Vater
und Elena ihn nicht im letzten Augenblick festgehalten. Sie führten ihn ein paar Meter weg, und sofort
wurden die Stimmen schwächer. »Er hört die Engelsstimmen«, stellte Tommasio befriedigt fest. »Und du,
der du dich Papst Lucius nennst, hörst du sie auch?«
Lucius nickte nur.
»Sehr gut, dann sind wir bald soweit. Wir werden
das Engelsfeuer entfachen und dem Engelsfürst die
Rückkehr in sein angestammtes Königreich ermöglichen. Eigentlich wollte ich erst noch weitere Engelssöhne hier zusammenführen. Aber der Stein, den Rosario Picardi ins Rollen brachte, als er unsere Pläne
aufzudecken drohte, hat die Ereignisse beschleunigt.
Wir müssen handeln, bevor dieser Ort von den Behörden entdeckt wird.«
»Warum nicht gleich, wenn die Zeit so drängt?«
fragte Enrico, der sich etwas erholt hatte.
»Es ist noch nicht alles bereit«, erklärte Tommasio.
»Wir warten noch auf jemanden.«
42
Rom

T
    rotz Sirene und Blaulicht kam die schwarze Limousine, in deren Fond Alexander und Donati
vom Flughafen Ciampino in Richtung Rom unterwegs
waren, nur mühsam voran. Es ging auf Mittag zu, und
die Straßen waren um einiges voller als am Morgen.
Alexander dachte an das verlassene Kloster auf der
Bergkuppe und fragte sich, welches Geheimnis die alten
Mauern bargen. Sie hatten es nicht aufdecken können,
nicht in der kurzen Zeit. Donati hatte Spezialistenteams
angefordert, die das Kloster, wenn nötig, Zentimeter für
Zentimeter nach verwertbaren Spuren absuchen sollten.
Außerdem waren mehrere Hundertschaften unterwegs,
um die Gegend rund um das Kloster zu durchkämmen.
Sie hatten kaum in der Limousine gesessen, da hatte
Donati einen Anruf aus dem Innenministerium erhalten: Sie sollten auf kürzestem Weg zum Vatikan fahren,
um dort an einer Krisensitzung teilzunehmen.
Mißmutig starrte Alexander auf die Blechkolonnen,
in denen ihr Wagen sich bewegte. »Hätten wir die
Nachricht etwas eher erhalten, hätten wir den Hubschrauber nehmen können. Das kann ja ewig dauern.
Vielleicht sollten wir zum Flughafen zurückfahren.«
»Wenn wir Pech haben, dauert es dann noch länger.
Der Hubschrauber muß erst wieder startklar gemacht
werden.«
»Dann bleiben wir halt, wo wir sind«, seufzte Alexander und griff nach seinem Handy. »Was dagegen,
wenn ich Elena kurz über die aktuelle Lage informiere?«
»Nein, mach nur.«
Als in Elenas Wohnung der Anrufbeantworter ansprang, versuchte Alexander es auf ihrem Handy, aber
er bekam keine Verbindung.
»Sehr seltsam«, murmelte er. »Zu Hause geht sie
nicht ans Telefon, und das Handy scheint sie ausgeschaltet zu haben. Das macht sie so gut wie nie. Sie ist
Journalistin und lebt in der ständigen Angst, etwas
Wichtiges zu verpassen.«
»Vielleicht wollte sie einfach in Ruhe ausschlafen,
oder ihr Akku ist leer. Ist mir auch schon passiert, und

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