Engelsfuerst
Bemerkungen. Immer
wieder wanderte ihr Blick hinüber zu dem Durchgang, durch den Laris und Larth den Speisesaal verlassen hatten.
»Laß uns nachsehen, wo sie bleiben, Vel!« bat sie
schließlich. »Ich habe ein ungutes Gefühl.«
Er nickte und nahm sie bei der Hand. Sie traten
hinaus in den säulenbestandenen Garten. Nach dem
weingeschwängerten Dunst im Speisesaal empfand
Vel die frische Luft als Wohltat.
»Ich höre ihre Stimmen, sie müssen in Vaters Zimmer sein«, sagte Larthi und zog Vel mit sich.
Jetzt hörte auch er Laris und Larthi, die offenbar
miteinander stritten und immer lauter wurden. Plötzlich brach der Wortwechsel ab. Ein kurzer, spitzer
Schrei, dann herrschte Stille. Vel spürte, wie Larthis
Hand sich um seine krampfte. »Warte hier!« sagte er
und ließ, wenn auch widerstrebend, ihre Hand los.
»Ich sehe nach.«
Er lief über den Rasen, sprang über einen niedrigen
Busch und riß den schweren Vorhang am Eingang zu
Larths Zimmer zur Seite. Verblüfft starrte er ins Innere. Obwohl es keinen anderen Ausgang gab, stand
Larth allein in dem Raum.
Er war sichtlich aufgebracht, und ein abweisender,
wenn nicht gar feindseliger Blick traf Vel.
Vel nahm einen stechenden Geruch wahr, der ihm
Übelkeit verursachte. Es war der Geruch von verbranntem Fleisch!
Als er genauer hinsah, bemerkte er einen Aschehaufen auf dem Boden, nicht weit von der Stelle, an der
Larth stand.
Obwohl er begriff, was sich ereignet hatte, wollte er
es nicht glauben. Sie waren doch Vater und Sohn!
Entsetzt starrte er Larth an und stammelte: »Was …
hast du getan?«
11
Vatikanstadt
N
achdem Stelvio Donati im Vatikan eingetroffen
war und Bruno Spadone seinen Vortrag über
die Selbstverbrennung wiederholt hatte, ging Alexander mit den beiden zum Niccolo-Turm. Das an eine
mittelalterliche Festung erinnernde Gebäude, das im
Schatten des Apostolischen Palastes lag, war Sitz des
Instituts für die religiösen Werke des Herrn, der Vatikanbank.
Ein junger Mann namens Fabio Pallottino, der in
seinem modernen Anzug und mit seiner gestylten Frisur kein bißchen religiös wirkte und sich als Sekretär
des Generaldirektors vorstellte, erwartete sie in der
Eingangshalle und begleitete sie in den fünften Stock,
wo Rodrigo Kardinal Scheffler sein Büro hatte.
Tatsächlich fühlte Alexander sich hier nicht wie im
Vatikan, sondern wie in einer x-beliebigen Privatbank.
Nur die wenigsten Mitarbeiter trugen den schwarzen
Anzug und den weißen Römerkragen eines Geistlichen. Lange Zeit war das Institut auch nicht von
Geistlichen geleitet worden. Erst mit Scheffler und Picardi waren wieder zwei Geistliche an die Spitze des
IOR gerückt, aber auch nur, weil sie zugleich Finanzfachleute waren.
Scheffler, ein massiger Mittsechziger mit schütterem, weißem Haar, saß in seinem Büro hinter einem
wuchtigen Schreibtisch und war damit beschäftigt, einen großen Stapel Akten abzuarbeiten. Als Pallottino
die Besucher meldete, bedachte Scheffler sie über den
Rand seiner altmodischen Hornbrille hinweg mit einem strengen Blick, der zu sagen schien: »Stören Sie
mich nicht lange, denn ich habe keine Zeit!«
Laut aber sagte der argentinische Kardinal: »Nehmen Sie doch Platz, und sagen Sie mir, was ich für Sie
tun kann. Don Luu hat mich angerufen und mich gebeten, Ihnen alle erwünschten Auskünfte zu erteilen.
Es geht um den traurigen Tod von Rosario Picardi,
wenn ich mich nicht irre.«
»Sie irren sich nicht, Eure Eminenz«, antwortete
Spadone. »Können Sie sich einen Grund für diese Tat
vorstellen, ein Mordmotiv?«
Scheffler legte die hohe Stirn in Falten. »Ein
Mordmotiv? Danach fragen Sie mich? Picardi und ich
haben in der Leitung des IOR vertrauensvoll zusammengearbeitet, aber über sein Privatleben weiß ich so
gut wie nichts.«
Donati räusperte sich vernehmlich. »Das Motiv
muß nicht unbedingt in seinem privaten Umfeld zu
suchen sein. Ich denke, ein Institut wie das Ihre hat
häufig Geldsummen zu bewegen, die manch einen zu
einem Mord verführen könnten. Oder täusche ich
mich?«
»Natürlich bewegen wir viel Geld, aber das trifft
auch auf jede andere Bank dieser Welt zu. Dann wäre
ja jeder Bankdirektor ein potentielles Mordopfer.«
»Dem würde ich nicht widersprechen«, sagte Donati mit einem dünnen Lächeln.
»Aha«, bemerkte der Kardinal, dem jeder Sinn für
Ironie abzugehen schien.
»Also haben Sie keine Hinweise auf ein mögliches
Mordmotiv?« hakte Donati nach. »Keine Drohung
seitens eines unzufriedenen
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