Engelsfuerst
und zog Elena hoch. »Das
breitet sich noch weiter aus. Wir müssen hier weg!«
Sie stolperten nach unten, liefen dort durch den
Flur in die Diele, und Alexander warf die Verbindungstür zu. Signora Ferzettis Leiche, um die sich inzwischen ein kleiner roter Teich gebildet hatte, war
kein schöner Anblick, aber hier waren sie vor dem
Gas weitgehend sicher.
Alexander sah Elena an und stellte zu seiner Erleichterung fest, daß sie zumindest keine äußeren Verletzungen davongetragen hatte.
»Wie geht es dir?« fragte er keuchend und wischte
mit dem Ärmel die Tränen fort, die unaufhörlich aus
seinen brennenden Augen flossen.
Elena lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand
und wischte sich ebenfalls Tränen ab.
»Ich fühle mich, als hätte ich gerade einen Stunt für
einen Action-Film absolviert.«
»Und sonst bist du in Ordnung?« hakte er nach.
»Du – und das Kind?«
Sie legte beide Hände auf ihren Bauch und verharrte einige Sekunden in dieser Haltung, als horche sie in
sich hinein.
»Es scheint dem Kleinen gutzugehen«, sagte sie.
»Oder der Kleinen.«
»Nein, es ist ein Junge.«
»Kann man das schon sehen?«
Elena schüttelte den Kopf. »Dazu ist es noch zu
früh. Aber ich weiß es auch so, ich spüre es. Seit wann
weißt du, daß ich schwanger bin?«
»Seit heute erst. Sie haben es bei deiner Einlieferung
auf die Polizei-Krankenstation festgestellt.«
»Dann weißt du vermutlich auch, seit wann ich
schwanger bin.«
»Ja«, sagte er und schaute sie unverwandt an.
Sie wollte etwas erwidern, doch zersplitterndes
Glas ließ sie verstummen, bevor sie noch die erste Silbe hervorgebracht hatte.
»Das kam von oben, vielleicht ein Fenster«, sagte
Alexander und legte den Kopf in den Nacken, als er
unmittelbar über sich Schritte hörte. »Da flieht jemand über das Vordach. Bleib hier drin, Elena!«
Er stürzte nach draußen, wo gerade eine große Gestalt vom Vordach sprang und federnd aufsetzte. Gerade noch rechtzeitig warf Alexander sich hin. Eine
Kugel bohrte sich in den Türrahmen, ohne daß er einen Schuß hatte fallen hören. Also wieder eine schallgedämpfte Waffe, dachte er. Für einen Augenblick sah
er im Licht des Mündungsblitzes das kantige Gesicht
mit der Augenklappe.
Der Killer wandte sich ab und hetzte davon, mitten
hinein ins Unwetter. Er versuchte gar nicht erst, mit
dem BMW zu fliehen. Er war ein Profi, und ihm war
klar, daß es viel zu lange dauern würde, in den Wagen
zu steigen und ihn zu starten. Lange genug, um sich
zum Abschuß freizugeben.
Alexander fixierte die davonhastende Gestalt, zielte
beidhändig im Liegen und schoß. Als hätte der Killer
das geahnt, schlug er genau in diesem Augenblick einen Haken, und die Kugel verfehlte ihn.
Zu einem zweiten Schuß kam Alexander nicht. Der
Fliehende hatte den Abhang jenseits der Straße erreicht und sprang einfach in die Tiefe.
Einen Moment lang dachte Alexander daran, dem
Mann zu folgen. Aber dann hätte er Elena und den
Erzbischof allein lassen müssen. Da er nicht wußte,
was mit dem zweiten Killer war, hielt er es für besser,
ins Haus zurückzukehren.
Elena stand noch in der Diele und atmete auf, als er
eintrat. »Gut, daß du da bist! Was war los?«
»Einauge ist geflohen.«
»Und der andere?«
»Vielleicht habe ich ihn so heftig erwischt, daß er
nicht fliehen kann. Oder er ist tot. Aber vielleicht
wartet er oben auch darauf, daß wir ihm vor die Mündung laufen. Diesmal bleibst du unten, Elena, ich bestehe darauf!«
»Und du willst wieder hoch?«
»Ich muß nachsehen, was mit dem Erzbischof ist.«
Er zog die Tür auf und lief durch den Flur. Seine
Augen begannen wieder zu tränen. Mehrmals wischte
er mit dem Ärmel über sein Gesicht, während er vorsichtig die Treppe hochstieg. Oben war alles ruhig.
Er sprang in den oberen Flur und duckte sich, die P
225 schußbereit in Händen. Die Gaswolke vernebelte,
was am anderen Ende des Flurs war. Er widerstand
der Versuchung, den Lichtschalter zu betätigen. Falls
der zweite Killer ihm hier auflauerte, würde Alexander sich dadurch zur Zielscheibe machen.
Geduckt huschte er durch den Flur, bis er vor dem
massigen Mann stand, der zuvor vergebens gegen die
Tür angerannt war.
Er lag in Seitenlage auf dem Boden, zusammengekrümmt wie ein Riesen-Embryo. Ein dunkler Fleck
breitete sich auf seiner Brust aus, und er atmete nicht
mehr. Alexander nahm an, daß er von mehreren Kugeln getroffen worden war. Er hatte das teigige Gesicht des Mannes noch nie gesehen. Neben dem
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