Engelsfuerst
spezielle
Mischung zuzubereiten, damit du dich entspannst.
Dann wirst du dich viel besser an das Vergangene erinnern.«
Jetzt verstand Enrico, was der Tee letztlich bewirken sollte. »Sie wollen mich willenlos machen!«
»Aber nein, so ist es nicht. Es geht nur darum, deinen inneren Widerstand abzubauen. Dann wird es dir
leichter fallen, dich auf unsere gemeinsame Aufgabe
einzulassen.«
»Wir haben keine gemeinsame Aufgabe! «
Tommasio lächelte nachsichtig. »O doch. Und du
weißt es! Wir müssen das Engelsfeuer entfachen, die
Macht unserer Ahnen. Hilf mir dabei, Vel! Erinnere
dich, besinn dich auf deine Aufgabe! Wir müssen zusammenwirken. Das Engelsfeuer, Vel, hilf mir!«
Unablässig wiederholte der Abt seine Beschwörungen. In Enrico tobten widerstreitende Gefühle. Einerseits brannte er darauf zu erfahren, was mit Larthi und
Vel geschehen war. Andererseits wollte er sich nicht
zum Sklaven Tommasios machen und sträubte sich
dagegen, ihm zuzuhören.
Aber er konnte den Einflüsterungen des Abts nicht
entkommen. Sie waren in seinem Kopf, zeigten ihm
Bilder aus einer anderen Zeit, als die Menschen Tuniken und Togen trugen und lederne Sandalen. Er wurde in diese Zeit hineingezogen wie in einen Strudel,
während in seinem Kopf die monoton wiederholten
Worte durcheinanderwirbelten: Wir müssen das Engelsfeuer entfachen … die Macht unserer Ahnen …
Vel … zusammenwirken … Engelsfeuer … Vel … erinnere dich … erinnere dich …
»Du wirst mir helfen, Vel, ob du willst oder nicht! Du
und Larthi, ihr werdet mit euren Kräften dazu beitragen, die Macht der Ahnen herbeizurufen. Aber ich
hoffe, ihr werdet freiwillig an meiner Seite stehen.«
Als Larth das sagte, war ein ganzer Tag vergangen.
Noch immer war Vel ein Gefangener in dem Haus,
das bis gestern Larths Vater gehört hatte. Jetzt war
von Laris nichts mehr übrig als zerstreute Asche. Ein
Schicksal, das, wenn Larth seinen Plan in die Tat umsetzte, vielleicht schon bald vielen Menschen drohte.
Innerlich schüttelte Vel sich bei dem Gedanken an
das, was die entfesselte Macht der Ahnen anzurichten
vermochte.
»Niemals, Larth, bei dieser Sache werde ich nicht
an deiner Seite stehen!«
Larth lächelte überlegen. »Wie ich eben schon bemerkt habe: Es kommt nicht darauf an, was du willst.«
Damit trat er zur Seite, um einigen seiner Freunde
Platz zu machen. Ohne viel Federlesens packten sie
Vel und schleppten ihn aus dem Raum. Vor dem Haus
hatte sich ein Trupp von vierzig oder fünfzig Männern
versammelt, allesamt wohl Larths Parteigänger. Eine
kleine Armee, dachte Vel. Viele waren mit Knüppeln,
einige auch mit Schwertern bewaffnet. Mitten unter
ihnen stand Larthi, die Vel besorgt entgegensah. Ihre
Augen waren gerötet, ihr Gesicht fahl. Wahrscheinlich
hatte sie viel um ihren Vater geweint. Man brachte Vel
zu ihr, und er war froh, sie in die Arme schließen zu
können. Für einen Augenblick drückte er sie einfach
an sich und vergaß Larth, seine Gefolgsleute und das,
was sie vorhatten.
»Larth ist besessen, besessen vom Bösen«, flüsterte
Larthi ihm ins Ohr. »Wir müssen seine Pläne durchkreuzen!«
»Hier wird nicht geflüstert!« schrie einer der Männer, ein muskulöser Kahlkopf, und riß Larthi von Vel
weg.
Sie verlor das Gleichgewicht und fiel taumelnd zu
Boden.
Gelächter wurde laut, und der Kahlkopf spottete:
»Seht her, die Tochter der Weißen Göttin kriecht am
Boden herum wie ein Wurm. Das sieht mir nicht sehr
göttlich aus!«
Vel verlor die Beherrschung und warf sich auf den
Spötter. Eng umschlungen fielen sie zu Boden, und
Vel versetzte dem überraschten Mann ein paar Fausthiebe, bis Blut aus dessen Nase spritzte.
Andere Männer kamen herzu und hielten Vel fest,
bis der Kahlkopf sich erhoben und mit dem Handrükken den größten Teil des Bluts weggewischt hatte.
»Das wirst du bereuen! Jetzt schlage ich dich zu
Brei!«
Die Umstehenden feuerten ihn an. »Nur zu, Arnth,
gib es ihm!« – »Schlag zu, Arnth, wir wollen deine
Fäuste fliegen sehen!« – »Zeig es diesem eingebildeten
Kerl!«
Arnth ließ sich nicht lange bitten und landete zwei
Fausthiebe mitten in Vels Gesicht. Von den anderen
im festen Griff gehalten, konnte Vel sich nicht wehren
und den Schlägen nicht ausweichen. Arnth versetzte
ihm einen weiteren harten Schlag. Vel war, als hätte
man ihm einen schweren Stein ins Gesicht geschleudert.
»Jetzt blutest du auch, und nicht zu knapp!« höhnte
Arnth. »Aber das war erst der Anfang. Gleich wirst
du
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