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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Betroffene all seine weltlichen Reichtümer
hergibt und der Sekte überschreibt, die damit angeblich Gutes tun will. Zum Beispiel, dem Sektenoberhaupt eine neue Yacht oder eine neue Villa kaufen.«
»Der Spott einer Abtrünnigen.« Verachtung
schwang in Lauras Worten mit. »Ich hatte damals keine Reichtümer, die ich Totus Tuus hätte überschreiben können.«
»Nein, Laura, aber du hast ihnen etwas viel Wertvolleres überschrieben: dein Leben.«
»Das siehst du falsch. Ich hatte überhaupt kein Leben mehr, jedenfalls keins, das man auch nur ansatzweise als lebenswert hätte bezeichnen können. Aber
Totus Tuus hat mir ein neues Leben geschenkt und
eine Aufgabe.«
»Welche?«
»Gott zu dienen!«
»Indem du dich zur anerkannten Journalistin und
Chefredakteurin einer der wichtigsten Zeitungen Italiens hocharbeitest?«
»Du hast es erfaßt.«
»Lautet so vielleicht das elfte Gebot? Du sollst erfolgreich sein in deinem Beruf, wenn du schon sonst
nichts vom Lehen hast! «
»Du begreifst gar nichts.« Laura klang ehrlich enttäuscht. »Wir verdanken Gott das Leben, und wir leben, um ihm zu dienen. Aber die meisten Menschen
sind von ihm abgefallen, gehören vielleicht noch einer
Kirche an, gehen möglicherweise sonntags zum Gottesdienst, doch die restlichen Stunden der Woche
verbringen sie mit der Jagd nach Geld und Macht oder
mit den Nichtigkeiten der modernen Spaßgesellschaft.
Gott und der Glaube sind ihnen nicht mehr als modische Accessoires. Sie könnten genausogut dem DalaiLama lauschen wie ihrem Bischof, fänden es für den
Augenblick ganz schick und hätten es am nächsten
Tag bereits vergessen. Das ist nicht die Welt, die Gott
gewollt hat!«
»Aha«, sagte Elena nur.
Natürlich hatte Laura in vielem recht, aber ihre Art
zu reden erinnerte Elena an die primitiven Argumentationen von Sektenpredigern. Man häufte einfach alles, was einem irgendwie beklagenswert erschien, aufeinander und kam dann wie zwangsläufig zu der Behauptung, nur die Abkehr von all dem und die Hinwendung zu dem, was Gott wirklich wolle – natürlich
stets das, was die jeweilige Sekte vertrat –, könne die
Welt und ihre sündigen Bewohner retten. Nur entpuppten sich die Oberhäupter solcher Sekten in der
Regel als die größten Sünder auf weiter Flur, denen
am Geld und an der Ergebenheit ihrer Schäfchen weit
mehr gelegen war als an deren Seelenheil.
Laura sah Elena durchdringend an. »Du hältst das
alles für dummes Geschwätz, stimmt’s?«
»Sagen wir, ich kann nicht so recht erkennen, wie
du in deinem bisherigen Leben dazu beigetragen hast,
die Zustände, die du beklagst, zu verbessern. Na klar,
als Journalistin und Chefredakteurin hast du eine
Menge Aufklärungsarbeit geleistet. Aber das kann
auch jeder Kollege, der nicht Totus Tuus angehört,
von sich behaupten.«
»Du hast nicht ganz unrecht, einen Großteil meines
zweiten Lebens habe ich mit Warten verbracht. Darauf, daß der Ruf des Herrn mich ereilt. Unser Orden
verfolgt weitgesteckte Ziele und braucht zu deren
Verwirklichung ergebene Diener an allen wichtigen
Schaltstellen des gesellschaftlichen Lebens.«
»Auch in den Medien.«
»Auch in den Medien, ja. In jüngster Zeit habe ich
unserer Gemeinschaft nützen können, indem ich auf
die Gefahr hinwies, die davon ausging, daß Rosario
Picardi das Ergebnis seiner Schnüffeleien an die Presse
weitergeben wollte. Aber meine eigentliche Stunde
wird erst noch kommen, bald, wenn die wahre Herrschaft Gottes anbricht und Totus Tuus alle ergebenen
Diener braucht, um eine neue Weltordnung zu errichten.«
Aus einem anderen Mund hätte das für Elena wie
wirres Geschwätz geklungen, aber Laura sprach mit
einer Überzeugung, die Elena erschauern ließ. Es war
nicht das Gefasel irgendwelcher Sektierer vom bevorstehenden Jüngsten Tag. Dazu war Laura zu klug. Sie
schien eine konkrete Erwartung zu haben, bezog sich
auf ein Ereignis, das offenbar kurz bevorstand.
»Erzähl mir mehr darüber!« bat Elena. Sie spürte,
daß sie dabei war, zum Kern all der mysteriösen Ereignisse der vergangenen Tage vorzudringen. »Was
wird geschehen, wenn die wahre Herrschaft Gottes anbricht? Wie wird es dazu kommen?«
Laura setzte schon zu einer Antwort an, überlegte
es sich aber anders und fragte mit spöttischem Unterton: »Ist die investigative Journalistin in dir erwacht?
Willst du mich aushorchen?«
»Was gibt es da auszuhorchen? Ich befinde mich in
deiner Gewalt und kann nichts von dem, was wir besprechen,

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