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Engelsgesang

Engelsgesang

Titel: Engelsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.A. Urban
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auf einer Staffelei stand. Er wartete, bis Ángel neben ihn getreten war, dann zog er das Tuch mit einem Ruck weg.
    Ángel stockte der Atem. Das Bild wirkte wie ein Spiegel, in den er schaute. Er sah in seine eigenen grün-braunen Augen.
    „Das … das ist fantastisch …“, flüsterte er, verstummte aber, als das Erkennen, welchen Moment das Gemälde erfasst hatte, ihm ins Gedächtnis stach. Für einen Fremden wäre es nicht offensichtlich gewesen, doch allen, die damals beteiligt waren, wäre die unglaubliche Ähnlichkeit ins Auge gefallen: Sein Ebenbild lehnte an einer brombeerfarbenen Wand. Der nackte Oberkörper sank in ein Kissen aus psychedelisch gemustertem Stoff und der Blick … dieser Blick … die Erinnerung an den Augenkontakt, den er an diesem besonderen Abend gehabt hatte, an dem Abend, an dem er seine Unschuld auf mehr als nur eine Weise verloren hatte, erschütterte ihn zutiefst.
    „Du hast … du hast mich …“ stotterte er, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können.
    „Ja, ich habe DICH gemalt. Jetzt weißt du, wer meine Muse ist. Ich habe so lange dagegen angekämpft, aber du gehst mir einfach nicht mehr aus dem Kopf, Angel. Seit damals, als ich dir an Valeries Garage aufgelauert hatte ... nein, eigentlich schon viel eher … Ich wollte es nicht wahrhaben, aber ich konnte nichts dagegen tun. Je mehr ich mich dagegen wehre, umso schlimmer wird es.“
    Ángel glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Dieses Geständnis hätte er niemals erwartet. Martin war cool. Martin versteckte seine Gefühle hinter schwarzer Kleidung und Schminke. Doch scheinbar hatte er diese Maske fallen gelassen. Jedenfalls vor ihm.
    Doch trotz dem Gehörten konnte er es noch immer nicht glauben. Er fühlte sich wie in einem wunderbaren, aber seltsamen Traum gefangen. Schlafwandlerisch drehte er sich zu Martin um. Er wollte ihn ansehen, wollte in diese blauen Augen sehen und ihnen glauben, wirklich alles glauben. Er suchte Martins Blick.
    Doch Martin sah ihn nicht an, er sah auf das Bild. Seine Lippen zitterten. „Jetzt weißt du’s“, sagte er fast trotzig. Schnell wendete er sich ab.
    „Sieh mich an“, forderte Ángel und griff nach Martins Schulter. Weiche Haarsträhnen strichen über seinen Handrücken und er spürte die harten Muskeln unter dem schwarzen Stoff. Vorsichtig, so als hätte er die Befürchtung, etwas unendlich Kostbares mit seinen Worten zerstören zu können, sprach er weiter: „Sieh mich an und sag das bitte noch einmal. Ich möchte dir so gern glauben.“
    Martins Blick streifte ziellos umher, als wolle er sich weigern, den letzten Schritt zu tun. Doch endlich, endlose Minuten schienen vergangen zu sein, gab er auf und sah Ángel endlich an.
    „Du bist in meinem Kopf“, flüsterte er. „Immerzu muss ich an dich denken. Es macht mich wahnsinnig. Ich stelle mir vor wie …“ Statt weiterzureden sah er erneut weg, fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen. Dann blickte er ihn erneut an. In Zeitlupe hob er seine Hand. Vorsichtig berührte er mit den Fingerspitzen Ángels Wange. „Ich stell mir … Dinge vor …“, flüsterte er.
    „Ich doch auch, ich auch.“ Ángel spürte wie eine Gänsehaut über seinen Rücken zog.
    „Ich wollte es nicht. Es ist nicht richtig, doch ich komme nicht dagegen an. Es quält mich Tag und Nacht. Ich habe nur Ruhe, wenn ich male … dich male. Aber das scheint nicht mehr genug zu sein. Nun nicht mehr …“
    „Es ist gut. Alles ist gut“, stammelte Ángel. Er glaubte in einen Strudel zu versinken, doch Martin so dicht bei ihm, machte dieses Gefühle erträglich. Martins Finger tasteten weiter über seine Wangen.
    „Wie gut ich dein Gesicht schon kenne … obwohl ich es noch nie berührt habe …“ Er zog Ángel mit seinen kühlen Händen zu sich, bis sich ihre Gesichter fast berührten. Nur Zentimeter trennten sie voneinander.
    In Ángel tobte ein stiller Orkan. Er spürte den nach Zigarettenrauch duftenden Atem auf seiner Haut, sah in Martins tief blaue Augen, und fühlte sich verstanden und angenommen, wie noch nie zuvor in seinem Leben.
    „Male mich … berühre mich … tu, was immer du willst mit mir.“ Die Worte kamen ohne seine bewusste Zustimmung aus seinem Mund. Diese Augen … Martins Augen verschlangen sein Denken. So als hätten seine Hände ein Eigenleben, wanderten sie über Martins Körper, unter sein T-Shirt, fühlten seine heiße Haut.
    Mit einer impulsiven Bewegung riss sich Martin das Kleidungsstück vom

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