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Engelsgesang

Engelsgesang

Titel: Engelsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.A. Urban
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ihn zu verzehren drohte.
    Als tosender Beifall einsetzte, klatschte er voller Inbrunst mit, stand auf, jubelte ebenso wie die anderen Zuschauer, und schrie seine Bravorufe der Bühne entgegen.
    „Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass es dir gefallen hat?“
    „Ja, es war fantastisch! So etwas habe ich noch nie gesehen.“
    „Ich schon.“ Martin zwinkerte ihm zu.
    „Ach ja, ich dachte, du magst keine Klassik.“
    „Nein, aber ich durfte die letzten Tage regelmäßig Zeuge einer ähnlichen Gesangsaufführung werden.“
    „Bitte, Martin, nicht schon wieder“, flüsterte Ángel mit einem verärgerten Unterton. „Vergleich mich nicht mit diesem Virtuosen. Das wäre vermessen.“
    „Ich sage dir nur meine Meinung. Sicher hat Jaroudas mehr Erfahrung und Übung als du. Aber untersteh dich, mir weiszumachen, dass ich kein musikalisches Gehör habe. Er singt meisterhaft, da besteht kein Zweifel. Deine Stimmfarbe jedoch ist wärmer und von viel mehr Herzblut durchdrungen. Man kann in deinem Gesang die gequälte Seele dahinter hören. Und das ist durch nichts aufzuwiegen.“
    Darauf entgegnete Ángel nichts. Er war zu erschüttert, um noch irgendetwas sagen zu können.

46.
    46.
     
    „Hier, das Programmheft. Willst du dir noch ein Autogramm von Jaroudas holen?“ Martin wies auf die Menschenschlange, die sich vor einem Tisch aufgebaut hatte.
    „Würdest du so lange warten?“
    „Natürlich warte ich auf dich. Das ist dein Geschenk. Ich geh nur schon mal an die Bar. Wir sehen uns dann.“
    Mit jedem Schritt, den Ángel dem Autogrammtisch näher rückte, wuchs seine Aufregung. Sollte er etwas sagen? Und wenn ja, was? Nein, er würde sich nur für das Autogramm bedanken und schnell wieder verschwinden. Jaroudas hatte mit seinen Fans, die vorwiegend aus Frauen und Männern mittleren Alters bestand, genug zu tun. Sicher war er schon von all den überschwänglichen Begeisterungsbekundungen genervt.
    Ángel konnte einen Blick auf den sitzenden Sänger erhaschen, der trotz der Menschenmasse, die sich um ihn scharte, ein Lächeln auf den Lippen hatte. Er sah jung aus. Seine kurz geschnittenen dunklen Haare betonten sein jungenhaftes Gesicht noch mehr. Er hatte auf der Bühne größer gewirkt als er eigentlich war. Und aus diesem netten, aber ziemlich unscheinbaren Mann war so eine wundervolle Stimme erklungen? Es war wirklich unglaublich.
    Während Ángel ihn musterte, nahm er kaum wahr, wie das ältere Ehepaar, das vor ihm stand, sich mit einem überschwänglichen „Grazias, grazias“, verabschiedete.
    Jaroudas sah zu ihm auf und lächelte ihn an. „Che nome?”, fragte er auf itelienisch und fügte ein „Welcher Name?“ hinzu, als er Ángels ratloses Gesicht sah.
    Dieser Satz, deutsch und akzentfrei aus dem Mund eines Spaniers, verwirrte Ángel. Noch mehr irritierte ihn aber, die tiefe, ziemlich unscheinbare Sprechstimme des Sängers, die in nichts an diese wundervolle Singstimme erinnerte, die gerade eben noch die Arien gesungen hatte.
    „Äh … ähm … Ángel, bitte“, stotterte er.
    „Ah, un ángel españiol.“ Das Lächeln von Jaroudas wurde noch breiter, als er Ángels Verwirrung bemerkte.
    „Si, Senior. Meine Mutter wurde in Spanien geboren.” Ohne es in seiner Aufregung zu bemerken, hatte Ángel begonnen mit Felipe Jaroudas in seiner Muttersprache zu sprechen.
    „Sehr schön. Und wie hat dir das Konzert gefallen?“
    „Es war wundervoll. Sie sind seit heute mein Vorbild. Ich … ich werde nämlich auch bald Gesang studieren.“
    „Sehr gut. Welches Fach?“
    „Countertenor … so wie sie.“
    Jaroudas zog eine Braue hoch und sah ihm mit gesteigertem Interesse an. „Ich würde dich gern mal singen hören. Warte doch bitte dort drüben, bis ich hier fertig bin.“ Er wies auf eine Wand, an der rotsamtene Bänke standen.
    „Oh, gern.“ Mit zitternden Knien trat Ángel zur Seite und setzte sich. Jaroudas lächelte ihm noch einmal kurz zu, dann widmete er sich den nächsten Besuchern.
    Ángels Herz schlug bis zum Hals. Felipe Jaroudas wollte mit ihm sprechen. Aber konnte er ihm etwas vorsingen? Nein, das konnte er sicher nicht. Vor lauter Nervosität würde er keinen Ton hervorbringen.
    Eine Ameisenarmee war auf dem Weg über Ángels Körper, hinauf zu seinen Haarwurzeln, als Felipe Jaroudas zwanzig Minuten später auf ihn zukam. Schnell sprang er auf und trat dem Starsänger entgegen.
    „Schön, dass du gewartet hast, Ángel. Wo studierst du?“
    „Wenn alles glatt läuft in

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