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Engelsgesang

Engelsgesang

Titel: Engelsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.A. Urban
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im Bad. Es war so, als wären Streitigkeiten niemals ein Thema gewesen. Auch als Martin vorschlug, dass sie sich in Verona für den Konzertabend neu einkleiden sollten, weigerte sich Ángel dieses Mal nicht, sein Geschenk anzunehmen.
    Als sie in dem hell erleuchteten Foyer des Konzerthauses standen und sich im Spiegel betrachteten, erhellte ein glückliches Lachen ihre beiden Gesichter.
    „Dieser Anzug steht dir wirklich ausgezeichnet.“ Ángel rückte Martin die Fliege zurecht und sah ihm in die Augen. „Ich freue mich schon auf heute Nacht, wenn ich ihn dir ausziehen kann.“
    Martin hatte seine Haare gescheitelt und streng zurückgekämmt zu einem geflochtenen Zopf gebändigt. Der edle Anzug betonte seine breiten Schultern und gab ihm ein maskulines, erwachsenes Aussehen.
    Doch auch Martin konnte seinen Blick nicht von Ángel lösen. Die grünseidene Weste, die unter dessen dunklen Sakko hervorblitzte, passte hervorragend zu seinen grün-braunen Augen. Die unbändigen blonden Locken, die ihm auf die Schultern fielen, ließen ihn jungenhaft verwegen erscheinen.
    „Ja, ich glaube, wir sind ein schönes Paar“, antwortete Martin und lächelte einer Frau zu, die sich nach ihnen umgedreht hatte. „Aber wichtiger ist es, dass dir das Konzert gefällt.“
    „Oh, da habe ich keinen Zweifel. Ich war noch nie bei so einer Veranstaltung. Für mich ist alles neu und aufregend.“
    „Dann wird es ja Zeit, dass du dich an dieses Ambiente gewöhnst. Immerhin gehörst du genau hier hin.“
    „Bitte, Martin. Hör auf. Du machst mich jedes Mal ganz verlegen.“ Und wirklich sah Ángel zum Boden, während sich eine entzückende Röte auf seinem Gesicht ausbreitete.
    Martin legte ihm einen Arm um die Schulter und zog ihn zu einer prunkvollen Treppe. „Ich werde dir das immer wieder sagen, bis du selbst daran glaubst. Komm, wir gehen zu unseren Plätzen. Ich glaube, sie sind irgendwo in der Mitte des ersten Rangs.“ Und so war es auch. Martin hatte auf unerklärliche Weise Plätze in der mittleren Prunkloge erstehen können. Auf Ángels Frage, wie er das so schnell geschafft hatte, zuckte er nur lächelnd die Schulter: „Man muss nur die richtigen Leute kennen, und wissen, wie man sie unter Druck setzen kann.“
    „Du machst mir Angst. Wer weiß, was du noch alles zustande bringen kannst, ohne dass ich etwas davon ahne. Ich hoffe, du nutzt das niemals gegen mich.“
    „Solange du mir keinen Anlass bietest“, antwortete Martin und setzte sein diabolischstes Grinsen auf.
    „Bitte lass das. Ich finde solche Drohungen nicht lustig.“
    „Entschuldige. Das sollte doch nur ein kleiner Spaß sein.“ Beschwichtigend versetzte ihm Martin einen leichten Klaps mit dem Programmheft. Die Lampen an dem riesigen Kronenleuchter erloschen und das Publikum begann zu applaudieren. Auf der Bühne nahmen die Musiker ihre Plätze ein und begannen mit einer schwungvollen Ouvertüre.
    Dann betrat, unter tosenden Applaus, der berühmte spanische Countertenor die Bühne. Ángel setzte sich kerzengerade hin und musterte den schlanken, jugendlich wirkenden Mann. Dieser stand gelassen da und sah in das Publikum herab, dann ließ er seinen Blick über die Ränge schweifen, fixierte einen Punkt in der Mitte und erhob seine Stimme.
    Ángel hatte das aufregende Gefühl, der Sänger sah nur ihn an. Der hohe reine Ton, der dann erklang, durchfuhr seinen Körper wie ein kalter Stahl. Er hielt die Luft an und als der Sänger Atem holte, schnappte auch Ángel wieder nach Atem. Er kannte dieses Stück von früher und ihm war, als würde er selber singen. Er musste sich zwingen, still zu sein und keinen Ton von sich zu geben. Er presste die Lippen aufeinander und verschlang diese wundervolle Musik mit seinen Ohren, und den Anblick dieses selbstbewussten Mannes mit den Augen. Hier hatte er seinesgleichen gefunden. Tief in ihm hatten sich immer Zweifel geregt, ob das, was er tat, normal war. Egal, was Professor Endele ihm auch immer sagte oder wie er ihn lobte, das Lachen des Mädchens bei dem Stipendiums-Vorsingen klang noch immer in seinen Ohren. Doch hier hörte er den Beweis, dass er nicht allein mit dieser Begabung war. Hier stand jemand, der ihm zeigte, wo sein Weg hinführen konnte. Er musste nur gut werden, lernen seine Stimme richtig zu beherrschen. Es würde ein langer Weg werden, doch endlich wusste er, wo er lang führen konnte. Ein ungewohntes Glücksgefühl breitete sich in ihm aus, schoss durch alle Adern und entzündete in ihm ein Feuer, das

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